R1 Farbe nicht dem Blinden, den Ton nicht dem Tauben, Gott nicht dem Gottlosen aufweisen kann, so auch die philosophische Weisheit nicht dem Unweisen. Alles Philosophieren, so haben es die Griechen schon treffend ausgedrückt, ist ein Mitphilosophieren, ein GULPLÄO- so@sıy. Deshalb wendet sich der Philosoph auch nicht an die unbe- kannte Masse, „an alle‘; sondern nur an den engeren Kreis der Jünger, „Sagt es niemand, nur dem Weisen!“ Ihren soziologischen Ausdruck findet dieser Sachverhalt in der „Philosophenschule‘“‘, der „Akademie“, wie das für die platonische Akademie in meisterhafter Weise Paul Landsberg aufgewiesen hat%. Die philosophische Erkenntnis ist 3. relativistisch, das heißt: sie ist bewußtes „Standpunkt““- Wissen, das bestimmte Teilausschnitte aus der Welt des Absoluten erkennt, Die Philosophie sucht das Absolute zu erfassen, aber dieses Absolute erscheint in dem Gedankenbilde des Philosophen in ganz bestimmter Auswahl, Stellung, Färburfg, Prägung, Jeder große Phi- losoph erblickt nur einen Teil des unendlichen Absoluten und gibt deshalb in seiner Lehre nur eine Seite des objektiven Seins wieder: daß er einen Typus der Auffassung, nicht einen beliebigen Quidam darstellt, macht ihn zum Philosophen. Aber seine Philosophie bleibt notwendig einseitig. „Diese Einseitigkeit der einzelnen Philosophien liegt in ihrem tiefsten Wesen begründet; denn als dieses Wesen hat sich doch offenbart, daß das Allgemeinste sich in der Form einer typischen Individualität darstelle‘ (Simmel). Wie zwei Astronomen an verschiedenen Punkten der Erde verschiedene Sternbilder wahr- nehmen, während doch der Sternenhimmel derselbe eine ist, so geben uns verschiedene Philosophen verschiedene Ausschnitte aus der Welt des Absoluten je nach der typischen Art ihrıs Wesens. Leibniz hat denselben Gedanken in einem anderen Bilde ausgedrückt, wenn er schreibts5- „Wie eine und dieselbe Stadt, von verschiedenen Seiten angesehen, immer als eine andere und gleichsam vervielfältigt erscheint, so kann % Paul Landsberg, Wesen und Bedeutung der Platonischen Akademie. Eine erkenntnissoziologische Untersuchung. 1923. 85 Leibniz, Monadologie, Satz 57 Sombart, Die drei Nationalökenomien