83 schaft, es gibt nur eine Philosophie der Werte, weil diese im Tran- szendenten gründen. „Der eigentliche Sitz aller Wert-aprioris ist die im Fühlen, Vorziehen, in letzter Linie in Lieben und Hassen sich auf- bauende Werteerkenntnis resp. Werteerscheinung, Diese Erkenntnis erfolgt in spezifischen Funktionen und Akten, die von allem Wahr- nehmen und Denken toto coelo verschieden sind und den einzig mög- lichen Zugang zur Welt der Werte bilden.‘*s? Werte sind „„Urphäno- mene‘‘, und solche sind, soweit ihr Dasein noch erklärlich ist, nur metaphysisch erklärbar, das heißt mit Heranziehung desjenigen real Seienden und seiner Ordnung, das in keiner direkten oder indirekten Verknüpfung mehr mit unserer realen psychophysischen Organisation steht88. Für alle „Werturteile‘“ gilt also, was wir an der philosophischen Erkenntnis überhaupt als das Wesentliche feststellen konnten: sie enthalten persongebundene, „relativ“ wahre Erkenntnis, die man niemals: dem anderen : verstandesmäßig aufzwingen kann. Werte werden geschaut von begnadeten Menschen und werden geglaubt von denen, die gleichen‘ Sinnes sind. Werte werden — völlig irrational — von Mensch zu Mensch übertragen, kraft der unerforschlichen Macht der Persönlichkeit. An die Stelle des Beweises tritt die Liebe, aus der Liebe aber erwächst die Nachfolge. Für Werte lebt man, für Werte stirbt man, wenn: es notwendig ist. Werte aber heweist man aicht. Welchen: Sinn hätte es, für etwas, das man als „richtig“ „be- weisen‘ kann, zu sterben? Es ist nichts anderes als ein altes Vorurteil der rationalistischen Scholastik- und der Aufklärung, . das unsere „wertenden“ : Nationalökonomen noch immer mitschleppen. Die „Richtigkeit“ der Werte beweisen, das heißt sie in den engen Umkreis der Verstandeserkenntnis herabziehen, heißt, Werturteile verwissen- schaftlichen wollen. Werte gründen aber. in einer viel größeren Tiefe, als der, in die das Senkblei der Wissenschaft hinabreicht. Ich habe mich in meinen Ausführungen auf den Nachweis des außerwissenschaftlichen Charakters aller Werturteile beschränkt, so- weit sie metaphvsisch begründet werden. In gesteigertem Maße gilt 37 M. Scheler, Ethik (1916), S. 64. 8 M. Scheler, Sympathiegefühle. 2. Aufl, 1923. S. 64.