226 vorgänge „verstehen‘‘? Das heißt also in meiner Sprechweise: ist auch die Erkenntnis der menschlichen Seele „immanente‘‘ Erkennt- nis? Wir sind damit an das im letzten Menschenalter von Philo- sophen und Psychologen vielerörterte Problem des Fremdver- stehens herangekommen. Es kann nicht meine Aufgabe sein, nun auch meinerseits an diesen Erörterungen in langen Ausführungen teilzunehmen. Ich will nur kurz meinen Standpunkt darlegen. Von den aufgestellten Theorien erscheinen mir drei als unhaltbar: ct. die Analogieschlußtheorie, die von Schleiermacher mit seinem Begriff des kombinatorischen Verstehens begründet, von Dilthey, Erdmann, Simmel u. a. ausgebaut worden ist; 2. die Einfühlungstheorie, die wohl von Lipps begründet, von H. Werner u. a. heute vertreten wird; 3. die Identitätstheorie, die als eine sehr geistvolle All-Seelen- theorie in fast Fechnerscher Prägung bei Max Scheler in seinen „Sympathiegefühlen‘‘“ auftaucht, als Gestalttheorie von Koffka gelehrt wird. Diese Theorien sind teilweise (1. und 2.) empirisch widerlegbar, teils sind sie metaphysischer Natur, wie namentlich die Schelersche A1l-Seelentheorie. Richtig dagegen erscheint mir diejenige Theorie zu sein, die zu ihren Vertretern Max Weber, Spranger, Binswanger, Grau- mann, übrigens auch den Scheler der „Ethik“ u. a. zählt, wonach wir Seele durch Geist, im gleichen Geist, an dem alle Seelen teil- haben, verstehen. Wir verstehen seelische Vorgänge, vor allem also Motive, aus dem geistigen Zentrum eines anderen heraus als „inten- tional‘“ auf etwas gerichtet, an eiwas orientiert, das wir kennen. Fremdverstehen ist also immer Fremdsinnverstehen, wobei der Sinn uns vertraut ist. Wie es Schleiermacher schon ausgedrückt hat: wir verstehen immer nur durch das Allgemeine, das Geistige hin- durch, „in dem als einem Gemeinsamen sich die inselhaft getrennten Individuen begegnen können“. Gemäß dieser Auffassung hat sich, namentlich in Deutschland, eine neue ‚„verstehende‘‘ Psychologie. eine ‚‚Geist‘psychologie ent-