296 liche Kenntnisse von der Wirtschaft haben. Ist das überhaupt mög- lich? In primitiver Zeit ja: Aristoteles, Thomas von Aquino und die anderen großen Scholastiker konnten das Wirtschaftsleben noch überblicken und haben uns deshalb auch das Beste zum Thema der Wirtschaftsphilosophie gesagt, das wir bis heute besitzen. Aber in unserer Zeit? Welchem Philosophen ist es zuzumuten, daß er in die Geheimnisse des Terminhandels und der Konzernbildung und der Konjunkturgestaltung so eindringt, daß jer darüber fachmännisch einwandfreie Urteile fällen kann? Es genügt auch nicht, damit man Wirtschaftsphilosophie treiben könne, um die Grundsätze der Wirt- schaft allein zu wissen. Man muß ihr Getriebe kennen. Und diese Kenntnis sich nebenbei anzueignen, übersteigt fast das menschliche Können. Deshalb sind auch die Äußerungen, die unsere großen Philo- sophen über die Wirtschaft getan haben, fast durchgängig von einer fast kindlichen Einfalt: von Kant, Fichte, Hegel angefangen bis zu Nietzsche. Die einzigen, neueren Philosophen von Rang, die gründliche wirtschaftliche Kenntnisse besaßen, sind, soviel ich sehe, Eduard von Hartmann und Max Scheler, denen wir denn auch wertvolle wirtschaftsphilosophische Aufschlüsse verdanken. Ein Mann, der eine Wirtschaftsphilosophie großen Stils hätte schreiben können, war Max Weber. Aber ihn haben daran doch wohl letzten Endes sein Kritizismus und Skeptizismus gehindert. Da, wie wir gesehen haben, die Vertreter einer richtenden National- ökonomie heute noch nicht ausgestorben sind, so wird auch in der Gegenwart Wirtschaftsphilosophie in allen den Spielarten weiter ge- trieben, die die richtende Nationalökonomie aufweist: der scholasti- schen (Spann und die katholischen Nationalökonomen), der harmo- nistischen (vor allem die Marxisten) und der rationalistischen (z. B. Rud. Stolzmann). Was zu wünschen ist, ist die Einsicht dieser Wirtschaftsphilosophen, daß sie als solche nicht Nationalökonomen sind. Wenn z. B. Spann jetzt seine Ansichten über die richtige Wirt- schaft auch Wirtschaftsphilosophie nennt!* und sie nicht mehr als wissenschaftliche Nationalökonomie ausgibt, so erachte ich dies für 14 Siehe Othmar Spann, Gesellschaftsphilosophie im Handbuch der Philo- ;ophie, herausgegeben von A. Bäumler und M. Schröter. Abt. IV. 1908 Auch separat erschienen.