340 Streben hinzielt. Die. Monographie kann Teile dieses Gebäudes in bereits geprägter Form liefern: Kapitelle, Säulen, Architrave, Friese, die dann in den Gesamtbau als solche eingefügt werden. Die nicht gestaltete Einzelerkenntnis ist nur Rohstoff, dessen natürlich der Bau- meister in weitestem Ausmaße benötigt. „Wo die Könige bauen, haben die Kärrner zu tun.“ Ihren Sinn bekommt die empirische Einzelforschung nur durch ihre Verwendbarkeit als Baumaterial, die „Theorie“ aber nur durch ihre Verwendbarkeit als Werkzeug oder Baugerüst, . Die Geschichte einer Geistwissenschaft wie der Nationalökonomie erscheint deshalb nicht im Bilde eines wachsenden Berges von Er- kenntnis oder einer meßbaren Annäherung an ein bestimmtes Ziel — wie die Geschichte einer Naturwissenschaft —: sie stellt vielmehr eine Sammlung von Gestalten dar mit eigenem künstlerischem und philosophischem Gehalt, deren jede aus dem Geiste ihrer Zeit heraus verstanden. sein will. Vergleichbar darin, wie wir sahen, der Ge- schichte der philosophischen Systeme und der Kunstischöpfungen. Von denen aber alle Geistwissenschaft auch wieder sich grundsätzlich unterscheidet, insofern nämlich, als sie Anspruch darauf erhebt, reines, allgemeingültiges Sachwissen darzubieten, das heißt eben Wissenschaft zu sein. In dieser unausgesetzten Spannung zwischen den Anforderungen der Wissenschaft und der Ver- lorenheit an Philosophie und Kunst tritt das innerste Wesen der Geistwissenschaften zutage, liegt aber auch ihre Tragik be- gründet. In dieser Eigenart der Geistwissenschaften wird uns nun aber auch deren objektiver Wert offenbar. Die Wissenschaft in dieser Gestalt ist selbst ein Dienst an der Kultur, und wir tragen, indem wir Wissen- schaft treiben, dazu bei, die uns gestellte Aufgabe des Kulturmenschen zu erfüllen. Nicht nur, indem wir wertvolle Persönlichkeiten ausbilden helfen, sondern durch die bloße Tatsache, daß wir wertvolle, wissen- schaftliche Werke schaffen. Diese haben ihren eigenen, selbständigen Wert neben den Werken der Kunst und der Philosophie. So wie das schöne Bildwerk oder das große Drama oder die inhaltreiche Sym- phonie Werte darstellen, auch wenn sich niemand an ihnen erbaut, und wert waren, geschaffen zu werden, auch ohne daß sie in Menschen-