II. Begriff der Meistbegünstigungsklausel, Die Gegenseitigkeitsklausel in ihrer positiven Form! — d. h., wo sie einen selbständigen Rechtsanspruch auf die Behandlung gibt, die der berechtigte Staat seinerseits dem verpflichteten gewährt — hat heute keine praktische Bedeutung mehr?, Häufig findet sie sich da- gegen in Verbindung mit der Meistbegünstigungsklausel bzw. der In- länderklausel in negativer Form, indem sie diese Klauseln einschränkt. Der berechtigte Staat darf die Meistbegünstigung bzw. die Inländer- behandlung insoweit verlangen, als er selbst zur Gewährung der ent- sprechenden Vorteile an den verpflichteten Staat bereit ist, Vgl. z.B. Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen dem Deutschen Reiche und dem Kömigreich Italien vom 31. Okt. 7925. RGBIL. II, S. 1020. Art. 3. „Die Angehörigen jedes vertragschließenden Teils haben volle Freiheit, bewegliche und unbewegliche Güter im Ge- biete des anderen zu besitzen und das Eigentum an solchen durch Kauf, Schenkung, letztwillige Verfügung oder gesetzliche Erbfolge oder auf irgendeine Weise zu erwerben, und zwar in den Grenzen, in denen nach den Gesetzen des Staates, .in denen sich die Güter befinden, der Besitz oder der Erwerb des Eigentums den Angehörigen irgendeines anderen Staates gestattet ist oder gestattet werden kann. Sie können zu den gleichen Bedingungen, die für diese gelten oder gelten werden, hierüber verfügen. Keiner der vertragschließenden Teile ist jedoch verpflichtet, hier den Angehörigen des andern Teils weitergehende Befugnisse oder Rechte zuzugestehen, als diejenigen, die seine eigenen Angehörigen tatsächlich im Gebiete des andern vertrag- schließenden Teiles genießen.‘ In dieser Form begründet die Gegenseitigkeitsklausel keinen Selb- ständigen Rechtsanspruch. Sie enthält nur eine Bedingung, an die der Meistbegünstigungsanspruch geknüpft ist. $ 3. Ablehnung der Lehre von der positiven und negativen Seite der Meistbegünstigungsklausel. Auf Grund der Meistbegünstigungsklausel kann der berechtigte Staat verlangen, vom verpflichteten Staate im Rahmen des Anwen- dungsgebietes der Klausel ebenso behandelt zu werden wie die meist- begünstigte Nation. Der Anspruch auf Gleichbehandlung mit der meist- lois du pays & ses ressortissants.‘ Pour peu frequentes que soient ces pratiques, il fallait prevoir et empecher qu'elles puissent devenir un moyen de discrimination.“‘ 1 Vgl. MaArtrius: Die wirtschaftlichen Bestimmungen der neueren Handels- verträge in ‚Gesetzgebung und Rechtspraxis des Auslandes‘“, Febr. 1928, S. 18. * Vgl. RızprL: a. a. 0. S. 4. Vgl. ferner Projet de Convention relatif au traitement des Etrangers C. 174. M.53. 1928 II S. 19. „‚En fait, la clause de reciprocite n’est pas apparue au Comite Sconomique comme recevable, sinon dans les cas oüU elle constitue une rectification nEcessaire ou une garantie complementaire de la clause de la nation 1a plus fa- vorisge ou du traitement national."