56 VI. Das Anwendungsgebiet der Meistbegünstigungsklausel, klausel. In Zoll-, Niederlassungs- oder Konsularverträgen reicht also ihr Umfang grundsätzlich über dieses Gebiet nicht hinaus, Regelt umgekehrt ein Staat gewisse Materien nicht in allgemeinen Handelsverträgen, sondern behält er sie stillschweigend Spezialver- trägen vor, z.B. Niederlassungs-, Konsular-, Schiffahrts- oder Luft- verkehrsverträgen, so ist selbstverständlich die Meistbegünstigungs- klausel des allgemeinen Handelsvertrages auf diese Gebiete nicht aus- zudehnen. Es ist also bei der Auslegung der Klausel nicht nur auf die Fassung der Formel selbst, sondern auch auf den Zusammenhang, in dem die Klausel auftritt, zu achten. Es sei hier auf die seinerzeit viel erörterte Frage* hingewiesen, ob durch Art. 11 des Frankfurter Friedensvertrages? auch der Zutritt deutscher Staatsangehöriger, insbesondere deutscher juristischer Personen zu den französischen Gerichten geregelt wurde. Der Pariser Appellationsgerichtshof verneinte die Frage, Der Kassations- hof vertrat indes im Urteil vom 14. März 1895 die weitere Auslegung des Artikels. Er folgerte aus dem Einleitungssatz: „da die Handelsverträge mit den verschiedenen Staaten Deutsch- lands aufgehoben sind, ...“ daß Art. ır die durch den Krieg aufgehobenen Handelsverträge, auf Grund welcher juristische Personen der deutschen Staaten Zutritt zu den französischen Gerichten hatten. auch in dieser Hinsicht ersetzen solle. 2. Verhältnismäßig klar bestimmt ist das Anwendungsgebiet der- jenigen Klauseln, in denen die Meistbegünstigung ausdrücklich für sämt- liche Gegenstände oder wenigstens für ein großes, deutlich umrissenes Gebiet des Handelsverkehrs versprochen wird (sog. Generalklausel). Vgl. z.B. das Meistbegünstigungsabkommen zwischen dem Deutschen Reiche und Bulgarien vom 8. Sept. 1921, Deutsches Handelsarchiv t923, S. 610: „Zwischen Deutschland einerseits und Bulgarien andererseits werden die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen vom 9. Aug. 1921 ab auf der Grundlage der Gegenseitigkeit und der Klausel der meist- begünstigten Nation in allen Beziehungen geregelt.“ * Vgl. SCHWEINFURTHE: a. a. O. S. 36ff.; FuLD: a. a. O., S. 363ff.; WITTMAACK: ım „Recht“ 1910, S. 473- 3 Art. 11: „Da die Handelsverträge mit den verschiedenen Staaten Deutsch- lands durch den Krieg aufgehoben sind, werden die französische und die deutsche Regierung zur Grundlage ihrer Handelsbeziehungen den Grundsatz der gegen- seitigen Behandlung auf dem Fuße der meistbegünstigten Nation nehmen. In diesem Grundsatz sind einbegriffen die Eingangs- und Ausgangsrechte, der durch- gehende Verkehr, die Zollformalitäten, die Zulassung und Behandlung der Unter- :anen beider Nationen und der Vertreter derselben. *t