Full text: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung

Der Zyklus der Konjunktur: 353 
ten: Die Unternehmergewinne haben keine normale Proportion zu 
den Einkommen der andern Leute, die gestört sein könnte, und die 
Einkommen dieser andern, mit Ausnahme derer, die feste Geldsum- 
men beziehen, haben die Tendenz, sich parı passu zu bewegen und 
auf Kosten oder zugunsten der festen Einkommen Boden zu ge- 
winnen oder zu verlieren, was den Wirtschaftsprozeß nicht stört — 
ganz ähnlich eine Zwischenerscheinung und ebensowenig primäre Ur- 
sache, wie die Überproduktion. 
Die Einseitigkeit des Aufschwungs hat u. a. die Folge, daß Span- 
nung und Gefahr der Situation nicht für alle Erwerbszweige gleich 
groß sind. Die Erfahrung lehrt denn auch, wie schon Aftalion® 
gezeigt hat, daß manche Zweige fast gar nicht berührt werden, andre 
verhältnismäßig nur leicht. Immerhin ist es eine Tatsache, die unser 
Gedankengang verständlich macht, daß die Depression an viel mehr 
Stellen auftritt als der Aufschwung. Und dabei zeigt sich, was unsrer 
Auffassung zu widersprechen scheint, daß neue Unternehmungen oft 
erheblich mehr in Mitleidenschaft gezogen werden als eingelebte Be- 
triebe. Das erklärt sich folgendermaßen: Der alte Betrieb hat den 
Puffer der Quasirente, vor allem aber regelmäßig angesammelte Re- 
serven. Er ist eingebettet in schützende Beziehungen, oft wirksam 
gestützt durch seine langjährige Bankverbindung. Er kann jahre- 
lang passiv sein, ohne daß seine Gläubiger unruhig werden. Und 
deshalb hält er viel mehr aus als die neue Unternehmung, die scharf 
und mißtrauisch kontrolliert wird, keine Reserven, sondern besten- 
falls unausgenützte Kreditreste hat, nur ein Zeichen der Verlegenheit 
zu geben braucht, um als „Schwindel‘“ betrachtet zu werden, und 
überhaupt sich ihren Platz erst erobern muß. Deshalb kann der 
Rückschlag der Veränderung aller Verhältnisse auf die neuen Unter- 
nehmungen früher und auffälliger sichtbar werden als der Schlag, 
den sie den alten Betrieben zufügen. Und deshalb führt der erstere 
viel leichter zur letzten Konsequenz des Bankrotts als der letztre, 
23 Les crises periodiques de surproduction, Paris 1913, livre I. Allerdings zeigt 
sich in viel höherm Maß als die Tatsache, die wir hier meinen, die andre, eben- 
falls von unserm Standpunkt verständlich, daß die Wellenbewegung immer bei 
den Industrien besonders stark ausgeprägt ist, die mit dem Schaffen neuer Pro- 
duktionsanlagen zu tun haben. Natürlich widerspricht das der vorgetragenen Auf- 
fassung nicht, im Gegenteil. 
Schumpeter, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. 2. Aufl. 
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