Full text: Die Lehren des Marxismus im Lichte der russischen Revolution

heit auf, die vermittelst ihrer rechtmäßigen. Organe über das 
Haus verfügt, während die anderen Bürger zu einer solchen 
Verfügung nicht befugt sind. ; 
Ebensowenig umfaßt die Organisation der Produktion ledig- 
lich das Verhältnis der Menschen zu der Natur. Kann man 
stwas Derartiges allenfalls noch von isolierten bäuerlichen 
Wirtschaften aussagen, so ist diese Behauptung in bezug 
auf die sozialistische Volkswirtschaft doch sehr merkwür- 
dig, denn die letzte baut sich auf dem Großbetrieb auf und 
setzt die stärkste Differenzierung und die umfassendste 
Integration der Arbeit der Bürger sowie die strengste Koor- 
dinierung aller Zweige der Volkswirtschaft voraus. Es leuch- 
tet ein, daß die sozialistische Gesellschaft von ihren Mit- 
gliedern jedenfalls keine geringere Disziplin erfordert als die 
kapitalistische. Auch in ihr werden vielmehr sehr kompli- 
zierte Beziehungen zwischen den einzelnen Bürgern infolge 
der in der Produktion nun einmal unvermeidlichen Hier- 
archie entstehen. Es liegt weiterhin kein Grund vor, anzu- 
nehmen, daß jeder Bürger sein Privatinteresse mit dem. Inter- 
asse der Allgemeinheit identifizieren wird. Bestehen aber 
in einer Gesellschaft komplizierte Rechtsbeziehungen und 
sind in ihr Gegensätze wenn nicht zwischen sozialen Klas- 
sen, so doch zwischen einzelnen Bürgern sowie diesen und 
der Allgemeinheit möglich, so muß auch eine Zwangsorgani- 
sation — ein Staat da sein, der die gegebene Rechtsordnung 
lurch seine Autorität aufrechterhalte. Wenn nur die Men- 
schen nach dem Siege des Sozialismus sich nicht samt und 
sonders in Engel verwandeln, dürfte diese Schlußfolgerung 
kaum bestreitbar sein. Die Idee eines staatenlosen Zustan- 
des erweist sich somit auch für die sozialistische Gesell- 
schaft als ein Traum. Gewiß, die Formen des staatlichen 
Zwanges können beträchtlich gemildert werden, allein eine 
solche Milderung strebt, und zwar nicht ohne Erfolg, auch 
schon der heutige demokratische Staat an. 
Wir wollen indessen dem Sozialismus keinen Vorwurf 
daraus machen, daß er Marxens Verheißung einer staaten- 
losen Existenz nicht zu verwirklichen vermag. Wir können 
uns aber nicht ohne weiteres auf die Versprechungen des 
wissenschaftlichen Sozialismus, das Reich der Freiheit auf 
Erden einzuführen, verlassen, müssen vielmehr untersuchen, 
ob der Sozialismus hierzu genügende wirtschaftliche Vor- 
aussetzungen darbietet. 
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