Prüfen wir vorerst, wieweit der Sozialismus mit dem Prin-
zip der wirtschaftlichen Freiheit, namentlich mit deren drei
grundlegenden. Elementen: der Freiheit der wirtschaftlichen
[nitiative, der Freiheit der Organisation des Verbrauches und
der Freiheit der Arbeit verträglich ist.
Die Freiheit der wirtschaftlichen Initiative ist zwar für die
Einzelpersönlichkeit von großem Wert, doch dürfte ihr
Wert für die Allgemeinheit vielleicht noch größer sein. Die
außergewöhnliche Entfaltung der Produktivkräfte in der kapi-
talistischen Gesellschaft steht im engsten Zusammenhange
mit dem Grundsatze der wirtschaftlichen Freiheit und dem
Grundsatze der freien Konkurrenz. Im Rahmen einer freien
Tauschwirtschaft besitzt nämlich keine Produktionsorgani-
sation das Monopol, für die Allgemeinheit diese oder jene
Funktionen auszuüben. Jede Organisation kann vielmehr
von einer anderen, die die betreffenden Funktionen vollkom-
mener, billiger versieht, verdrängt werden. Hierauf beruht
der Fortschritt der Volkswirtschaft.
Es ist nun unschwer einzusehen, daß die sozialistische Ge-
sellschaft viel ungünstigere Bedingungen für die Betätigung
der freien Initiative darbietet. Vor allem fällt bei mehr oder
weniger gleichmäßiger Arbeitsentlohnung ein beträchtlicher
Teil jener Triebfedern weg, die in der kapitalistischen Welt
den Unternehmungsgeist anregen. Wissenschaftliche Entdek-
kungen geschehen freilich nicht aus Gewinnsucht, sondern
aus dem unauslöschbaren Wahrheitsdrange des mensch-
lichen Geistes. Bei Erfindungen tritt. das wissenschaftliche
Interesse in den Hintergrund und gewinnen praktische Mo-
tive eine größere Bedeutung. Allein die unmittelbare wirt-
schaftliche Entwicklung treiben ja weder Gelehrte noch selbst
Erfinder, sondern Organisatoren und Praktiker vorwärts.
Deren Aufgabe besteht nicht in wissenschaftlichen Entdek-
kungen noch in Erfindungen, gewöhnlich auch nicht in der
praktischen Auswertung der letzteren, sondern darin, die er-
folgreichste Kombination von Produktionsfaktoren zu finden,
die es erlauben würde, dieses oder jenes Produkt mit dem
geringsten Kostenaufwand herzustellen; sie besteht darin,
neue billigere oder vollkommenere Mittel zur Befriedigung
des Bedarfs der Allgemeinheit zu finden, oder endlich darin,
einem neuen Bedürfnis der Allgemeinheit nachzuspüren und
billige Methoden zu seiner Befriedigung zu finden. Die Un-
ternehmer, die also zumeist mit den materiellen Bedürf-
5 Brutzkus. Die Lehren des Marxismus.
BR