Eine Verringerung der Überproduktion durch Beeinflussung der
Nachfrage war der Ziegelindustrie nur in ganz beschränktem Grade
möglich. Der Umfang der Bautätigkeit wird in erster Linie nicht durch
die Bewegung der Baustoffpreise bestimmt, sondern neben der jeweiligen
Lage des Geld- und Kapitalmarktes durch die Zunahme und den Wohl-
stand der Bevölkerung. Der Baumarkt ist zudem besonders scharfen
Konjunktur- und Saisonschwankungen unterworfen. Diese treffen die
Ziegeleibesitzer doppelt hart, wenn ihnen die Kapitalarmut die rasche
Ausnutzung der besseren Konjunkturen und höheren Preise nicht ge-
stattet, weil sie sich durch größere Vorverkäufe die laufend benötigten
Mittel beschaffen mußten. Die zunehmende Einführung von künstlichen
T'rockenanlagen seit der Vorkriegszeit ermöglicht zwar technisch eine
kontinuierliche Produktion und die Umgestaltung der Ziegelbetriebe von
Saison- zu Jahresbetrieben, Eine solche Umstellung wird aber, abgesehen
von den besonderen Ansprüchen an die Tonqualitäten, wirtschaftlich
nach wie vor behindert durch den fehlenden Absatz in den Winter-
monaten und die dadurch bedingte Steigerung der Produktionskosten.
Die Ziegelindustrie muß deshalb — und zwar verstärkt bei kontinuier-
licher Produktion — in größerem Ausmaß auf Lager arbeiten. Die
finanziellen Mittel und die Zinsen für die Vorratsproduktion sind jedoch
von den Ziegelfabriken nur mit großen Schwierigkeiten und vielfach nur
durch Vorverkäufe an Bauunternehmer und Händler aufzubringen. Die
Kontingentierung der Produktion und des gemeinsamen Absatzes kann
deshalb von den Ziegelverkaufsvereinigungen meist nur unter gleich-
zeitiger Fürsorge für die Produktionsfinanzierung durchgeführt werden.
Die Beleihung gestapelter Ziegel ist infolge dieser Umstände eine
der Hauptaufgaben der Ziegelverkaufsvereinigungen. Sie ist heute noch
dringender als in der Vorkriegszeit, weil die spekulative Ausrichtung der
Ziegelproduktion durch die Zentralisierung und die zeitliche Konzen-
trierung der Nachfrage weiter gewachsen ist, Während in der Vorkriegs-
zeit der Bedarf an Ziegelerzeugnissen sich auf eine größere Zahl von
Abnehmern aufteilte, treten in der Nachkriegszeit im Zusammenhang mit
der mehr oder weniger behördlichen Finanzierung der Bauten vor allem
die Behörden und die Siedlungsgesellschaften als Abnehmer auf. Da
die Vergebung der behördlichen Aufträge an den Etat gebunden ist, er-
gibt sich vielfach eine Zusammenballung und Plötzlichkeit der Nach-
frage, die stärkere Schwankungen in der Ziegelerzeugung und in den
Ziegelpreisen verursacht als die frühere Durchführung der Bautätigkeit
nach rein privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten. Infolge dieser Ent-
wicklung können die Ziegelverkaufsstellen ihre Preis- und Geschäfts-
politik nur schwer in stabile Formen bringen. Auch das öffentliche Ver-
zebungswesen mit seiner Tendenz, die Anbieter gegeneinander auszu-
spielen, wirkt in gleicher Richtung. Geklagt wird schließlich seitens der
[ndustrie recht stark über Störungen durch behördliche Regiebetriebe,
lie vielfach als Zuschußunternehmen nicht ganz nach wirtschaftlichen
Gesichtspunkten arbeiten sollen. Entscheidend für den Erfolg der Ver-
kaufspolitik der Ziegelverkaufsvereinigungen ist aber letzten Endes eine
annähernd richtige Einschätzung des kommenden Bedarfs. Sie ist heute
bei den scharfen Schwankungen auf dem Baumarkt schwerer vor-
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