98 ERSTER TIL: GEOGRAPHISCHE GÜTERLENURE
China hat seine führende Stellung in der Weltversorgung durch den Wett-
bewerb des Ceylontees und indischen Tees eingebüßt, der den chinesischen in
den letzten dreißig Jahren fast restlos vom englischen und amerikanischen
Markt verdrängte. Chinas Hauptabnehmer ist neben Tibet und der Mongolei
Rußland. Die starke Abnahme des russischen Teekonsums! seit der Revolution
bedeutet gegenwärtig geradezu eine Katastrophe für den chinesischen Teemarkt,
dem auch der mitteleuropäische Absatz fehlt.
Alle Tee erzeugenden Länder haben einen großen Eigenverbrauch.
Von den nicht Tee bauenden Ländern sind England und die bri-
tischen Kolonien die weitaus wichtigsten Käufer — London ist der
erste Teemarkt der Welt. Ihnen folgten bis 1916 Rußland und die
Union. Heute fällt Rußland als Käufer fast aus. Der durchschnittliche
jährliche Teeverbrauch eines Engländers betrug 1922 etwa 8 Pfund,
der eines Deutschen aber 1913 nur 65, 1926 70 Gramm. Der in
England eingeführte Tee ist heute zu mehr als neun Zehntel indischer
Tee. Deutschland bevorzugte früher entschieden die chinesische Ware,
doch gewann allmählich auch bei uns der indische Tee immer mehr an
Boden, so daß er 1913 bereits 43% der deutschen Tee-Einfuhr aus-
machte. Nach dem Kriege bezogen wir einen großen Teil des ein-
geführten Tees aus Niederländisch-Indien, 1926 ein reichliches Drittel;
je etwa ein Viertel kam aus Britisch-Indien und China, der Rest fast
ganz aus Ceylon. Nach Rußland geht vor allem der geringwertigere
chinesische Ziegeltee?.
ZUCKER
Der Zucker wird aus zwei Pflanzen gewonnen, aus dem Zucker-
rohr und der Zuckerrübe. Das Erzeugnis beider ist aber chemisch
genau dasselbe.
Während die Kultur des Zuckerrohrs ein hohes Alter hat und in Indien
mindestens seit tausend Jahren betrieben wird, wurde der Zuckergehalt der
Zuckerrübe erst im 18. Jahrhundert durch einen deutschen Chemiker entdeckt
und erst seit den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts zur Zuckergewinnung
im großen ausgenutzt. Zuchtergebnisse und technische Vervollkommnung der
Einrichtung der Zuckerfabriken haben es dahin gebracht, daß jetzt 1 Zentner
Zucker aus 6,3 Zentnern Rüben gewonnen wird, während 1840 dazu 17 und
1880 noch 11 Zentner nötig waren. Das Zuckerrohr ist ein Bewohner der
Tropen und Subtropen und verlangt demgemäß hohe Wärme und außer reich-
lichen Niederschlägen einen gewissen Grad von Luftfeuchtigkeit, auch, wenigstens
in. der ersten Entwicklung, erhebliche Bodenfeuchtigkeit, Die Zuckerrübe be-
vorzugt fetten, schweren Boden (Anschwemmungsböden und Löß) und im
Durchschnitt innerhalb der gemäßigten Klimazone die Gebiete von mittlerer
Niederschlagsmenge. Aus diesen verschiedenen Bedürfnissen folgt die gegen-
seitig sich ausschließende geographische Verbreitung beider Kulturpflanzen.
Die Heimat des Zuckerrohrs ist Südasien, von wo es sich schon früh
nach allen tropischen und subtropischen Ländern der Erde ver-
breitet hat. Die Haupterzeugungsländer sind heute Kuba, Britisch-
Indien und Java; diese drei Gebiete bringen zusammen fast 60% der
Welternte an Rohrzucker, sogenanntem „Kolonialzucker“, hervor, die im
* Rußland bezog an chinesischem Tee 1914: 93 Mill. kg, 1926/27 nur 14,4 Mil. kg.
? Die in Paraguay und den benachbarten Provinzen Südbrasiliens und in Argentinien ge-
wonnene Yerba, Mate oder Paraguaytee wird nicht von einer Gattung des Teestrauchs ge-
wonnen, sondern entstammt einer wilden, bisher wenig in Kultur genommenen Stechpalmenart
Tex Paraguayensis), Yerbatee wird in ganz Südamerika viel getrunken.