VII. DIE STÄTTEN DER INDUSTRIE 149
Alle irdischen Vorräte dieser natürlichen Natriumverbindung treten
in den Hintergrund gegen die Lager des nördlichen Chile. Nur
0,5—3 m unter der Oberfläche liegt hier das sogenannte Caliche, das
Muttergestein des Chilesalpeters, in der praktisch fast regenlosen Wüste
Atacama. Nur diese extreme Trockenheit konnte eine Anhäufung von
ursprünglich mindestens 500 Mill. t des wertvollen Minerals ermöglichen.
Es wird seit etwa 100 Jahren abgebaut und über die Häfen Pisagua.
Iquique, Tocopilla, Mejillones, Antofagasta und 'Taltal ausgeführt.
Chilesalpeter ist ein wichtiges Frachtgut der Segelschiffahrt.
Die Salpeterausfuhr, in der Chile eine Monopolstellung einnahm, war
der wichtigste Posten im chilenischen Staatshaushalt. Nunmehr ist ihm
ein gefährlicher Rivale in dem aus der Luft hergestellten Kunsts alpeter
erstanden, der zuerst in Deutschland (Badische Anilin- und Sodafabrik,
Piesteritz bei Wittenberg, Leunawerk, Chorzow in Ost-Oberschlesien),
jetzt auch in sehr vielen anderen Ländern in großem Umfang erzeugt
wird. Mit Deutschland hat Chile seinen besten früheren Abnehmer.
der etwa ein Viertel der ganzen Ausfuhr aufnahm, verloren.
VIL DIE STÄTTEN DER INDUSTRIE
DIE GEOGRAPHISCHEN GRUNDLAGEN DER INDUSTRIE
Nur wenige von den Urerzeugnissen der Weltwirtschaft werden
so, wie sie sind, verbraucht. Die meisten müssen einer mehr oder
minder weitgehenden Verarbeitung unterzogen werden, ehe sie dem
Menschen als Nahrungsmittel oder Gebrauchsgegenstand dienen können
Früher geschah diese Verarbeitung im handwerksmäßigen Kleinbetrieb.
Seit der Erindung der Dampfmaschine und zahlreicher Arbeitsmaschinen
hat die „Rohstoffveredelung“ ganz andere Formen angenommen. Sie
ist zum fabrikmäßigen Großbetrieb übergegangen, auf den wir die Be-
zeichnung „Industrie“ im engeren Sinne anzuwenden pflegen. Auch
diese Form der menschlichen Wirtschaft ist von geographischen Be-
dingungen in weitgehender Weise abhängig.
Zunächst bedarf die Industrie des zu verarbeitenden Rohstoffes.
Daher entwickeln sich unter sonst günstigen Bedingungen
gewisse Industrien am Orte der Urerzeugung. So wurden die
Eisengebiete Englands, Deutschlands und der Union die ersten Sitze
der Eisen- und Maschinenindustrie, die Länder des nördlichen Wald:
gürtels Gebiete der Papier-, Streichholz-, Spielwaren- und sonstigen
Holzindustrie, die Hopfen- und Gerstenanbauländer Süddeutschlands
und Böhmens, Südenglands und der nördlichen Zentralstaaten der
Union Sitze der Bierbrauerei. Die Zahl dieser rohstoffgebundenen
und damit bodenständigen Industrien ließe sich leicht vermehren. Sie
war früher noch viel größer, als noch nicht ein hochentwickelter Ver-
kehr die Bewegung großer Rohstoffmengen auf weite Entfernungen er-
möglichte.
Sodann braucht die Industrie eine Antriebskraft für ihre
Arbeitsmaschinen. Das wichtigste Betriebsmittel der modernen In-
dustrie ist die Dampfmaschine und deren Antriebsmittel im allge-
meinen die Kohle. Daher sind überall, wo sich abbauwürdige Lager