Full text: Weltwirtschaftliche und politische Erdkunde

I. DER LANDVERKEHR 
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DIE SCHIENENNETZE DER ERDTEILE 
Das Eisenbahnnetz Europas. Die geographischen Verhältnisse 
waren dem Bahnbau in Europa durchweg recht günstig, da die Be- 
schaffenheit des Geländes nirgendwo unüberwindliche Schwierigkeiten 
bereitete. Förderlich wirkten besonders die Mannigfaltigkeit der natür- 
lichen Ausstattung und der wirtschaftlichen Erzeugnisse des Konti- 
nents sowie die hohe geistige und materielle Kulturstufe seiner Völker. 
Daher ist Europa heute nach allen Richtungen bis über den Polar- 
kreis hinaus, wenn auch in den verschiedenen Ländern unterschiedlich 
dicht, von Schienenwegen durchzogen. Nachdem im‘ Kriege die Ver- 
knüpfung des schwedischen mit dem finnisch-russischen Bahnsystem 
bei Haparanda hergestellt wurde, hängt das europäische Bahnnetz in 
allen seinen Teilen zusammen. Eisenbahnfähren, sogenannte Tra- 
jekte, über die Ostsee und seit 1924 auch über den Kanal (Linie: 
Zeebrügge — Harwich) stellen den Zusammenhang des Bahnnetzes von 
Rumpfeuropa mit den Schienensträngen der durch Meeresgebiete ab- 
getrennten Teile Nord- und Westeuropas her. Diese Einheit des 
gesamten Bahnnetzes ist ein Vorzug, den Europa vor allen Erd- 
teilen voraus hat. Er wird noch dadurch erhöht, daß die Schienen- 
wege aller europäischen Länder, abgesehen von Rußland, in den Haupt- 
bahnen die gleiche Spurweite besitzen. Erst diese Tatsache ermög- 
licht den über weite Strecken des Erdteils laufenden überstaatlichen 
Durchgangsverkehr für die Personen- und Güterbeförderung. Im Per- 
sonenverkehr bildeten sich zahlreiche große Überlandlinien heraus, 
auf denen internationale Expreßzüge eingerichtet wurden. Die 
großen Überlandrouten durchqueren den Kontinent in meridionaler Rich- 
tung, in der Diagonale NW —SO und als west-östliche Querverbindung. 
Viele dieser Linien kreuzen sich im mittleren Europa, und so wurden 
Berlin, Paris und Wien die bedeutendsten Eisenbahnknoten- 
punkte des Erdteils. Von ihnen hat nur Wien in der Nachkriegs- 
zeit an Verkehrsbedeutung eingebüßt. 
Die Änderung der politischen Grenzen, die Zerschlagung alter, die 
Entstehung neuer Staaten haben zwangsläufig auch zu Umstellungen 
des Eisenbahnverkehrs, namentlich im Osten und Südosten Europas 
geführt. Alte zusammenhängende Systeme, internationale Durchgangs- 
linien wurden durch die neuerrichteten Grenzschranken zerrissen. Die 
neuentstandenen Staatengebilde suchten den internationalen Verkehr 
vielfach zu ihren Gunsten abzulenken und in die innerhalb ihrer 
Grenzen getroffene Neuorientierung des Bahnverkehrs einzugliedern. 
Nur wenige Beispiele seien genannt. Der alte „Ostmarkenzug“, die 
Schnellzugsverbindung Königsberg — Dirschau — Bromberg — Posen — 
Breslau, ist unmöglich geworden, die Verbindung der nordöstlichen 
und der südöstlichen Mark, Ostpreußens und Schlesiens ist aufgehoben. 
— Die große Durchgangsstrecke Berlin — Petersburg, früher im Besitz 
zweier Staaten, führt jetzt durch sieben Länder: Deutschland, Polen, 
Danzig, wieder Deutschland, Litauen, Polen, Lettland, Rußland. Früher 
überschritt die Linie eine Staatsgrenze, heute ist sie mit ihren sieben 
doppelten Grenzbahnhöfen keine Durchgangslinie mehr. — Der Verkehr 
durch Böhmen war früher hauptsächlich in meridionaler Richtung nach 
Reinhard, Erdkunde. IT
	        
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