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ZWEITER TEIL: DER VERKEHR
Asien. Die verkehrshemmende Eigenart der Oberflächengestaltung
— zahlreiche hochliegende Plateauländer mit hohen Randgebirgen und
ausgedehnte Wüstengebiete — sowie die niedrige Kulturstufe vieler
Völker Asiens ließen es in diesem Erdteile nur zu einer sehr lang-
samen Entwicklung des Bahnbaus kommen.
Zum Zwecke wirtschaftlicher Ausbeutung und militärischer Be-
herrschung erhielt Britisch-Indien durch die Engländer ein plan-
volles Bahnnetz. Es nimmt mit 62000 km fast die Hälfte der ge-
samten asiatischen Bahnlänge ein und hat seine größte Dichte im
nördlichen Tiefland Vorderindiens, die geringste in Birma‘ und im
inneren Dekan. Die längste indische Bahn verbindet Kalkutta über
Allahabad und Delhi mit Karatschi. Strategisch besonders wichtig
ist der Schienenweg von Kalkutta nach Peschawar am Ausgang des
Khaiberpasses. Auch Java und Japan haben ein weitverzweigtes,
alle Teile des Landes erreichendes Bahnsystem. In China hat der
Bahnbau, nachdem ihm lange Zeit Volk und Regierung heftigen Wider-
stand geleistet hatten, in den letzten Jahrzehnten durch ausländische
Gesellschaften starke Förderung erfahren. Die wichtigsten Linien sind
die Nord-Süd-Bahn: Peking — Hankou— Kanton, die aber südlich
des Jangtsekiang erst in Teilstrecken vollendet ist, und die Parallel-
strecke Tientsin— Nanking—$Schanghai. Von letzterer zweigt bei Tsinan
am Hoangho die Schantung-Eisenbahn nach Kiautschou ab. — Das
Bahnnetz des eigentlichen China ist bei Mukden mit dem Mandschu-
rischen Netz verknüpft, das seinerseits nach Südosten die korea-
nische Längsbahn nach dem Hafen Fusan entsendet und bei Charbin
an die Große Sibirische Bahn anschließt.
Die 1903 vollendete Transsibirische Bahn ist mit 6550 km
der längste einheitliche Schienenweg Asiens und ein Gegenstück zu
den amerikanischen Pazifikbahnen, indem sie Europa unmittelbar mit
dem Stillen Ozean verbindet. Ihrer Verbindung mit europäischen
Durchgangslinien zur westeuropäisch-ostasiatischen Interkontinental-
bahn wurde bereits gedacht. Die Fahrzeit Berlin—Wladiwostok be-
trägt bei normalem Betrieb nur 12—13 Tage. Daher hat die Bahn
für den Schnellverkehr nach den ostasiatischen Ländern besondere
Wichtigkeit. Dazu kommt ihre Bedeutung für die wirtschaftliche
Erschließung Südsibiriens und für etwaige militärische Verwicklungen
Rußlands im Fernen Osten (Russisch-Japanischer Krieg!)l. Durch die
unweit Tschita von der Transsibirischen Bahn abzweigende, während des
Weltkrieges vollendete Amurbahn schuf sich Rußland einen Zugang
auf eigenem Boden zu Wladiwostok, seinem stärksten, wenn auch unter
Vereisung leidenden Stützpunkt am Stillen Ozean. — Zwei andere
wichtige Bahnen erbaute sich Rußland in Zentralasien, die Trans-
kaspische Bahn vom Kaspischen Meer nach Andischan und Tasch-
kent mit Abzweigungen von Merw und Buchara gegen die afghanische
Grenze, und die Orenburg-Taschkenter Bahn, die sich unmittelbar
an das europäische Netz Rußlands anschließt. Beide Bahnen sind
zur militärischen Sicherung und wirtschaftlichen Erschließung der
turkmenischen Außenländer Rußlands erbaut und waren wohl früher
auch als Aufmarschlinien gedacht bei einer Auseinandersetzung mit