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ZWEITER TEIL: DER VERKEHR
osteuropäischen Ländern haben, daher auch ihre Wichtigkeit für das
ehemalige Österreich-Ungarn, für das sie als einigendes Band der ein-
zelnen Staatenteile auch von hoher politischer Bedeutung war. Durch
Ausführung der obenerwähnten Verbindungen mit den norddeutschen
Strömen und des geplanten Donau-Theiß-Kanals zwischen Budapest und
Csongrad an der Theiß würde die Donau an Verkehrsbedeutung beträcht-
lich gewinnen.
Der deutsche Donauverkehr liegt in den Händen der „Bayrischen Lloyd
A.-G.“, die mit zwei österreichischen und einer ungarischen Schiffahrtsgesell-
schaft seit 1927 eine Betriebsgemeinschaft eingegangen ist. Auch die Donau
ist „internationalisiert“ und wird sogar von zwei Kommissionen betreut, der
„Europäischen Donau-Kommission“ für die sogenannte „See-Donau“ (Braila bis
Mündung) und der „Internationalen Kommission“ für die Strecke Braila-—
Ulm. Infolge der politischen Zersplitterung Mitteleuropas ist der Güterverkehr
auf der Donau erheblich zurückgegangen, betrug er doch 1927 nur 60% der
Vorkriegszeit. Das versteht man, wenn man bedenkt, daß z. B. zwischen Passau
und Orsowa jetzt fünf Staatengrenzen zu passieren sind, wo früher keinerlei
Grenzformalitäten bestanden, und daß bei den verschiedenen auf dem Flusse
tätigen Schiffahrtsgesellschaften nicht weniger als acht Geldwährungen in
Anwendung kommen.
Unter den Ländern Westeuropas haben die Niederlande ein be-
sonders dichtes Netz von Wasserstraßen, die alle Hauptorte unter-
einander, mit den zahlreichen Armen der Rheinmündung und mit dem
Meere verbinden. Hier übertreffen — wie außerdem nur in England —
zuch die Kunstbauten mit 3200 km an Länge die natürlichen Wasser-
straßen (s. Tabelle S. 179) beträchtÄch, und die Gesamtlänge des Wasser-
netzes ist um ein Drittel größer als die des Eisenbahnnetzes. — Frank-
reich und England haben kurz vor dem Aufkommen der Eisenbahnen
ihre Schiffahrtsnetze trefflich ausgebaut, seit dieser Zeit aber deren Zu-
stand unter dem Einfluß des rasch aufblühenden Ausbaus der Eisen-
bahnen nur wenig vervollkommnet, so daß ihre Wasserstraßen dem
heutigen Großverkehr nicht mehr genügen. Seit der Wiedergewinnung
des Elsaß strebt allerdings Frankreich mit allen Mitteln danach, Straß-
burg zu einem großen Kopf- und Durchgangshafen zu machen, über
den es den Rheinverkehr mittels eines Rhein-Seitenkanals und des Rhein-
Marne-Kanals dem französischen Wassernetz zuzuleiten gedenkt. Auch
eine Kanalisierung der Mosel für 1200 t-Schiffe ist geplant. In Eng-
‚and hat, abgesehen von der obenerwähnten Ursache, der Binnenwasser-
verkehr gegenüber dem Seeverkehr wegen der geringen Meerferne aller
Binnenlandschaften verhältnismäßig wenig Bedeutung.
Die Nordamerikanische Binnenschiffahrt. Der Hauptschauplatz der
Binnenschiffahrt Nordamerikas ist die große Tieflandsmulde zwischen
dem Hochgebirgsland des Westens und der appalachischen Gebirgskette
des Ostens. Das wirtschaftliche Übergewicht des Ostens des Erdteils
gegenüber dem Westen wird mitbedingt durch die beiden riesigen
Binnenwassersysteme des Mississippi und der Kanadischen Seen mit
dem St. Lorenzstrom.
Der Mississippi, der ein Drittel der Landfläche der Union entwässert,
weist mit seinen fünfzig schiffbaren Nebenflüssen, von denen der Tennessee
und der Ohio die für die Binnenschiffahrt wichtigsten sind. eine dem Verkehr