Full text: Weltwirtschaftliche und politische Erdkunde

‚28 GEOGRAPHISCHE STAATENKUNDE 
diesem Merkmal beruht in erster Linie ihre trennende und abschließende 
Wirkung!. Grenzsäume bilden überhaupt die älteste Form 
der Grenzen. Die Wohngebiete der Völker und Stämme wurden 
zuerst nicht durch klar bestimmte Linien, sondern durch unbewohnte 
Zwischenräume: Wasserflächen, Steppen, Wüsten, Wälder, Gebirge von- 
einander getrennt. In einzelnen Fällen haben sich solche leere Grenz- 
3äume bis zur Gegenwart erhalten, so in den Anden Südamerikas und 
in Skandinavien, wo die schwedisch-norwegische Grenzöde (s. Abb. 
S. 250) ein besonders schönes Beispiel darstellt. 
Nicht selten wurden solche Grenzsäume, eben weil sie als Grenzen sehr 
wirksam sind, künstlich geschaffen. Es sei erinnert an jenen 50 bis 100 km 
breiten Ödlandstreifen zwischen China und Korea, in dem jede Ansiedlung bei 
Todesstrafe verboten war. In moderner Form sind Grenzsäume wieder auf- 
getaucht in der Form von neutralen Staaten, sogenannten Pufferstaaten, 
die die unmittelbaren Reibungsflächen benach- 
barter Großstaaten und damit die Gefahr von 
kriegerischen Verwicklungen zwischen diesen 
vermindern sollen. Solche sind zwischen Frank- 
reich und Deutschland: die Schweiz, Luxem-. 
burg und Belgien. Nach der Niederringung Ruß- 
lands versuchte Deutschland an seiner Ostgrenze 
zwischen sich und Rußland eine Kette von 
zleineren Pufferstaaten ins Leben zu rufen, die 
allerdings heute eine wesentlich andere Bedeu- 
‚ung gewonnen haben. Auch die „entmilitari- 
zierte“ Zone deutschen Landes zu beiden Seiten 
des Rheins, die der Versailler Vertrag vor- 
schreibt (Abb. 195), sowie der neutrale Streifen 
zwischen Litauen und Polen gehören hierher. 
An den Küsten der Meere finden wir 
die Grenzsäume wieder, und zwar natür- 
liche sowohl wie künstliche. Denn ab- 
gesehen davon, daß die Berührungsstelle 
ron Land und Meer an sich schon, 
namentlich an Flachküsten, keine Linie, 
sondern einen Saum darstellt, läßt man 
nach internationaler Übereinkunft die Hoheit eines Staates nicht 
an dieser Berührungsstelle enden, sondern erst in einer Entfernung 
von drei Seemeilen (5,6 km). Erst jenseits dieser Grenze liegt das 
freie, internationale Meer. 
So entsteht ein Saum ‚„territorialer Gewässer“, dessen Breite etwa der 
‚rüheren Tragweite der Geschütze entspricht. Da diese heute wesentlich größer 
'st, hat man auch schon den Gedanken erwogen, jenen Grenzsaum entsprechend 
zu verbreitern. Diese Gewässer sind also somit ein Stück der Staatenober- 
fläche, auf dem z. B. von fremden Nationen kein Fischfang betrieben werden 
darf. Im Kriege haben sie als Zuflucht verfolgter Schiffe, die der Gefahr der 
Kaperung ausgesetzt waren, oft genug eine Rolle gespielt. 
1 Nur bei den völkischen Grenzen liegen die Verhältnisse etwas anders. Auch sie sind 
Grenzsäume, weil die benachbarten Völker an den Berührungsstellen naturgemäß einander 
Jurchdringen. Aber die trennende Wirkung fällt weg, weil der Saum nicht durch Auseinander- 
haltung zweier verschiedener Gebiete, sondern gleichsam durch deren teilweise Übereinander- 
sehiebung entsteht.
	        
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