234 GEOGRAPHISCHE STAATENKUNDE
lichster Raumerweiterung, und gerade der ganz große Raum sucht
„gleich dem Großkapital sich selbst zu vermehren“ (Dix), England
und Rußland sind treffliche Beispiele dafür. Von den besonderen Ur-
sachen solchen Strebens nach Raumerweiterung ist an erster Stelle
zu nennen das Wachstum der Bevölkerung, dem eine Vergrößerung
des Raumes entsprechen muß, wenn es nicht zur Übervölkerung
mit ihren wirtschaftlichen Nachteilen kommen soll. Verstärkt wird
der Anreiz zur politischen Ausbreitung durch günstige Eigenschaften
der erstrebten Gebiete, Reiche Bodenschätze, fruchtbare Ackerbau-
länder, verkehrsgeogra-
phisch wichtige Land-
schaften, wie die Ein-
zugsgebietegroßerStrö-
me und solche Länder,
die einen Zugang zum
freien Meere eröffnen
oder benachbarte Meere
oder Meeresteile um:
randen, erhöhen den
Drang zur Raumer-
weiterung ebenso wie
das Vorhandensein ei-
ner stammesverwand-:
ten Bevölkerung in den
benachbarten Gebieten
jenseits der Grenzen.
So entstehen gewisse
politischeStoßrich-
tungen oder Kraft-
linien, die in der Ge
schichte der betreffen.
den Staaten sich immer
wieder geltend machen.
Frankreichs Ansprüche
auf Elsaß und Lothringen
sind nicht nur machtpo- ]
litischer Art, sondern ha- 198. Die Umfassung des Indischen Ozeans durch das
ben in den Minettelagern englische Indiameer-Reich.
Lothringens und den Kali-
lagern des Elsaß auch eine rein wirtschaftliche Ursache. Die Unterwerfung der
Burenstaaten durch die Engländer brachte diesen die reichsten Goldlager und
Diamantenfelder der Welt. — Der im Laufe der Geschichte sich immer wieder-
holende Einbruch der nomadischen Gebirgsvölker Innerasiens in die Tief.
länder Ost- und Südasiens wird wenigstens zum Teil durch den Anreiz er-
klärt, den deren verlockende Fruchtbarkeit und klimatische Gunst ausübt. —
Das Streben nach möglichst geschlossener Beherrschung von Stromgebieten
zeigt das Vorgehen der Engländer im Bereich der Nilländer, zeigt die Ab-
grenzung der Kongokolonie und die vollständige Polonisierung der Weichsel
nach dem Weltkrieg. — Das Drängen zum Meere spielt in der politischen Ge-
schichte Rußlands, Polens, der Balkanstaaten, einiger südamerikanischer Repu-