268 GEOGRAPHISCHE STAATENKUNDE
hunderten wenigstens mit den wichtigsten Bedarfsgegenständen sich selbst ver-
sorgen konnten, sind dazu infolge der zunehmenden Bevölkerungsdichte schon
lange nicht mehr imstande, das trifft z, B. für Deutschland, Italien, Holland u. a, zu.
Gegenwärtig gibtesaus den angeführten Gründen Staaten,
die alle ihre Bedürfnisse selbst befriedigen können, überhaupt nicht
mehr. Allerdings sind einige Staaten in der glücklichen Lage, dem
Zustand der Autarkie nahe zu sein. Das gilt z, B. für China und für
die Vereinigten Staaten.
Aber ganz Selbstversorger sind auch sie nicht. So führt die Union nicht nur
große Mengen von Lebensmitteln und Rohstoffen, wie Kaffee, Kakao, Zucker,
Kautschuk, Seide, Häute usw., sondern auch noch europäische Industriewaren
ein. China braucht neben vielem anderen vor allem fremde Industrieerzeugnisse.
Da die innere Festigkeit eines Staates und die Freiheit seines
politischen Handelns, wie erwähnt, in hohem Maße davon abhängt,
daß er in seinen Bedürfnissen möglichst unabhängig ist vom Ausland,
so strebt jeder Staat danach, wenigstens in möglichst vielen Ge-
brauchsgütern Selbstversorger zu werden, Agrarstaaten suchen zu-
nächst bodenständige Industrien zu schaffen, kohlenlose Länder etwa
vorhandene Wasserkräfte auszubauen. In diesem Zusammenhange
müssen auch die Erfindungen genannt werden, die wichtige natür-
liche Rohstoffe durch künstliche ersetzen. Man denke an die künst-
üiche Herstellung der Stickstoffdüngemittel und an die Verflüssigung der
Kohle, die viele Staaten mit einem Schlage in der Versorgung eines so
überaus wichtigen Rohstoffes, wie es das Petroleum ist, von den großen
Öllieferanten der Welt unabhängig machen wird. Als naheliegendes
Mittel zur Annäherung an die Autarkie wird schon von den Staaten
des Altertums und Mittelalters der Erwerb von Kolonien angewandt,
Selbstversorgung und Kolonialerwerb. — Typen kolonialer Be-
sitzungen. Das Wort Kolonie entstammt der lateinischen Sprache
und bedeutet eigentlich Pflanzstadt. Damit‘ ist schon der ursprüng-
liche Zweck der Kolonie angedeutet. Mit dem Zeitalter der Ent-
deckungen beginnt die große überseeische Kolonisation der europä-
ischen Staaten. Die spanische und portugiesische Kolonialperiode
wird in der Folgezeit abgelöst durch die holländische und englische.
England ist heute noch die größte Kolonialmacht. Aber selbst kleine
europäische Staaten, wie Portugal, Belgien und die Niederlande, besitzen
aoch Kolonialgebiete, deren Fläche die der Mutterländer um ein Viel-
faches übertrifft. Deutschland konnte nach einem wieder aufgegebenen
Versuch zur Zeit des Großen Kurfürsten erst nach der Erreichung seiner
inneren Einheit dieses Ziel wieder verfolgen und trat so erst in den acht-
ziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in die Reihe der Kolonialmächte ein.
Je nach der Art ihrer Entstehung, ihrer Beherrschung und Ausnützung, nach
dem Verhältnis des eingewanderten Europäertums zu den Eingeborenenvölkern
lassen sich verschiedene Typen von Kolonien unterscheiden. A. Hettner hat in
ainer feinsinnigen Charakterisierung die Wesensart dieser Typen gekennzeichnet!:
der Wirtschafts- oder Kultivationskolonien — früher Pflanzungskolonien
genannt — des tropischen Afrika und eines Teiles der ostindischen und australi-
schen Inselwelt; der Siedelungs- oder Tochterkolonien in den gemäßigten
Ländern beider Amerika, Australiens und Sibiriens; der Herrschaftskolonien
ı A. Hettner, Der Gang der Kultur über die Erde. 2, Aufl. 1929 8. 102ff.