IV. DIE WÄLDER DER ERDE UND IHRE HAUPTERZEUGNISSE 83
sich das Europäische Rußland scharf in das nordische Waldland und
das südliche Getreide- und Steppengebiet. Die waldreichsten Gouverne-
ments (alter Abgrenzung) sind hier die von Wologda (89,3%), Kostroma
(64,8%), Olonez (64,7%), Archangelsk (61,3%), Nowgorod (59,7 %) usw.
Dagegen macht das Waldland im Gouvernement Stawropol (Manytsch-
niederung) nur 0,3%, in Cherson 1,8%, in Taurien 5,2% aus. Die
Ukraine ist also praktisch ein beinahe waldloses Land.
{in Sibirien dagegen bildet die „Taiga‘“ einen ungeheuren Wald-
zürtel vom Ural bis zum Stillen Ozean, der allerdings durch Sumpf-
gebiete, Wiesenflächen in den Flußauen und gewaltige Brandflächen
stellenweise unterbrochen ist. Seine Größe wird auf mehr als 3 Mill. qkm
geschätzt. — Auch für die russische Holzauswertung kommen vor-
wiegend Nadelhölzer, namentlich Kiefer und Fichte, dann auch Zeder
und Lärche, von Laubbäumen vor allem Birke und Zitterpappel, letztere
für die Streichholzfabrikation, in Betracht.
Mehr noch als die nordamerikanische leidet die russische Waldausnutzung
unter Waldbränden?, Raubbau und unvollkommenen 'Arbeitsmethoden. Wenn
in dieser Beziehung in den letzten Jahrzehnten vieles besser geworden war, 80
haben der Krieg und die ihm folgenden Ereignisse diese Entwicklung wieder
aufgehalten. Die Ausbeute geschieht am stärksten in der Nachbarschaft der
großen Ströme, die im Sommer nach allen Richtungen bequeme Abfuhrstraßen
für das Holz darbieten. Die bis vor kurzem nur örtlich ausgenutzten, sonst
im ganzen noch unberührt gebliebenen großen Holzbestände Sibiriens werden
jetzt in zunehmendem Maße durch staatlich unterstützte oder ausländische Kon-
zessionsgesellschaften dem Weltmarkt erschlossen.
Vor dem Kriege ging die Hauptmasse des russischen Holzexportes
über die Ostsee und die Westgrenze. Riga, Archangelsk, Kronstadt
und St. Petersburg, Windau und Libau waren demgemäß wichtige Holz-
ausfuhrhäfen. Das ist jetzt anders geworden, indem die Häfen des
Weißen Meeres, also vor allem Archangelsk, mit 42% (1923/24) des
Exportes im Vordergrund stehen. Nur noch mit einem reichlichen Viertel
der Gesamtausfuhr folgt Petersburg (Leningrad)—Kronstadt. Sehr
arheblich hat die Ausfuhr über die Ostgrenze zugenommen, über die
aus den Holzvorräten Transbaikaliens China und Japan ihren Einfuhr-
bedarf decken. Von den europäischen Staaten waren früher die besten
Käufer russischen Holzes mit fast gleichen Mengen England und
Deutschland, ferner Frankreich und Italien. Inzwischen hat Eng-
lands Bedeutung als Absatzgebiet zu-, die Deutschlands abgenommen;
1923/24 nahm England weit mehr als die Hälfte der ganzen russischen
Holzausfuhr auf, während Deutschland nur mit 30% daran beteiligt war.
Von den übrigen europäischen Ländern sind es vor allem die
nordischen, in deren Wirtschaftsleben die Holzausbeute des Waldes
besonders ins Gewicht fällt. Auch hier stehen die Koniferen, Fich-
sen und Kiefern, allen anderen Bäumen an Nutzwert weit voran.
Norwegens Waldbedeckung, die hauptsächlich den Süden um den
Kristianiafiord, sodann das Drontheimgebiet einnimmt, beträgt zwar nur
1 Noch in den letzten Vorkriegsjahren brannten mehrfach in sibirischen Gouvernements
in einem Jahre Waldflächen ab, die die Provinz Ostpreußen an Größe übertreffen. Da an solchen
Stellen der Wald ohne Zutun des Menschen nicht wieder aufkommt, bedeuten derartige Brände
eine ungeheure Vernichtung.