98 7. Kapitel. Die Gefahren des Auslandskapitals.
Drosselung der Lebenshaltung der werktätigen Bevölke-
rung. Er meint, die Kapitalbildung habe heute, wo die
Bevölkerung stagniert, nicht mehr die Bedeutung wie
früher, und die Unternehmer könnten das nötige
Kapital ohne Schaden aus dem Auslande erhalten.
Warum auch nicht? Unsere Befürworter der Auslands-
kredite werden dem kein schlüssiges Argument ent-
gegensetzen können, trotzdem jeder empfindet, daß da
etwas nicht stimmen muß. Alle jene Theoretiker über-
sehen eben oder unterschätzen die Tatsache, daß Aus-
landskredite, die inländische Kapitalbildung ersetzen,
also im Inland nutzbar gemacht werden sollen, in Mark
umgewandelt werden müssen. Und dasselbe gilt für
die aus einer Beteiligung des Auslandes hereinfließen-
den Gelder. Damit wird aber zusätzliche Kaufkraft
geschaffen, das heißt, wie ich schon vor mehr als einem
Jahrzehnt in meinen Geldschriften und meinen „Grund-
sätzen‘“ ausführte: Kaufkraft, die nicht aus Lei-
stungen im Tauschverkehr und daraus fließenden
Gelderträgen entstanden ist. Das kann unmöglich be-
sfritten werden und ergibt sich aus meiner Ertrags-
theorie und der mit ihr im Zusammenhang stehenden
abstrakten Geldlehre von selbst. Wer das nicht erkennt
und berücksichtigt, hat den Mechanismus des heutigen
Tauschverkehrs nicht verstanden, und allerdings ist die
Verkennung der Bedeutung des Geldertrages als Rich-
tungsweiser für die Verteilung der Kosten in der
heutigen Wirtschaftstheorie noch sehr allgemein, die
sich mit einer sogenannten „funktionellen Betrachtungs-
weise“ begnüst, wo allein eine kausale, und zwar auf
die Erwägungen der Menschen zurückzuführende, also
zugleich finale allein die wirtschaftlichen Zusammen-
hänge erklären kannl, Die Folgen zeigen sich bei Adolf
Weber in allen theoretischen Erörterungen seines Lehr-
buches,
1 Siehe dazu meine Schrift: „Wirtschaftstheorie und
Wirtschaftsbeschreibung.“ Tübingen 1929.