18 1. Kapitel. Wesen und Formen des Kapitals.
Zeit, und man kann das nur, wenn man die erforder-
liche Menge Unterhaltsmittel zur Verfügung, also früher
„gespart“ hat. In ähnlicher Weise soll auch der Geld-
leihzins als „Preis für das Warten“ erklärt, das heißt
gerechtfertigt werden. Kapitalbildung bedeute also Ver-
wendung von Gegenwartsgütern zugunsten der Produk-
fion von Zukunftsgütern. Die Kritik aller dieser An-
schauungen ist in den „Grundsätzen“ gegeben. Siehe
auch meinen Aufsatz „Von der Wert- zur Grenz-
ertragslehre‘“ (Schriften des Vereins für Sozial-
politik. Erscheint demnächst). «
Trotzdem werden sie immer wieder vorgebracht. Noch
neuestens erklärt W. Röpkel „die Ansicht vor ernst-
haften Kontroversen gesichert“, daß durch eine an
irgendeiner Stelle der Wirtschaftsgesellschaft erfolgende
Beschränkung des laufenden Konsums und gleichzeitig
mit ihr eine Veränderung in der Zusammensetzung des
laufenden Produktionsstroms vor sich geht, und zwar
eine Veränderung zuungunsten der Produktion von
Gegenwartsgütern und zugunsten der Produktion von
Zukunftsgütern“. Nicht um die Produktion von Gegen-
warts- oder Zukunftsgütern handelt es sich, das sind
Vorstellungen einer heute verbreiteten, aber falschen
statischen Betrachtungsweise, die auch wieder mit der
technisch - materialistischen Wirtschaftsauffassung zu-
sammenhängen. Das Wirtschaftsleben ist ein fortdauern-
der Prozeß, in dem gegenwärtige und zukünftige Be-
dürfnisse und besonders auch die wirtschaftliche Be-
deufung dauerhafter Güter, seien es Genuß-, seien es
Kostengüter, in gleicher Weise kalkuliert werden.
Es ist daher auch irreführend, von einem Ertrag des
Kapitals zu sprechen, insofern nämlich, als man damit
die überaus naheliegende Analogie des technisch-natur-
wissenschaftlichen Kausalzusammenhanss der FEnt-
Die Theorie der Kapitalbildung. (Sammlung: Recht und
Staat, Heft 63. Tübingen 1929, S. 7.)