Full text: Allgemeine Gesellschaftslehre

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MI. Kapitel. 
Seele. Aber auch in jenen Fällen, da wir es mit einem im Zustande 
der „Bewußtheit‘“ befindlichen Menschen zu tun haben, finden wir an 
jenem anderen Menschen oft Leibesveränderung ohne Tun. Wenn 
z. B. ein im Zustande der Bewußtheit befindlicher Mensch, der plötzlich 
von einer Mücke gestochen wird, zusammenzuckt, ist zweifellos an jenem 
Menschen Leibesveränderung, aber keineswegs ein „Tun“ gegeben, ©ob- 
wohl er überhaupt „bei Bewußtsein‘ ist und sich auch jener eigenen 
Leibesveränderung‘ als einer gegenwärtigen bewußt ist. Hier ist 
also an anderem Menschen Leibesveränderung und Bewußtsein dieser 
Leibesveränderung, aber keineswegs „Tun‘“ gegeben. Und wenn man 
uns frägt, warum wir in solchen Fällen nicht um ein „Tun“ jenes 
Menschen wissen, so werden wir antworten: „Weil der andere Mensch 
jene Veränderungen seines Leibes nicht gewollt hat, ihm vielmehr jene 
Leibesveränderungen „ungewollt“, „unwillkürlich“ zustießen, „passierten‘“. 
Sagen wir aber, daß jemand Leibesveränderungen, in welchen er sich 
befindet, „gewollt“ hat, so meinen wir nicht nur, daß die gegenwärtigen 
Leibesveränderungen von ihm gewollt waren, sondern meinen auch, daß 
die wirkende Bedingung für jene Leibesveränderungen als Wirkungen 
in jenem Wollen gelegen war, 
Daß das Gegebene ‚Tätigkeit‘ vom „Bewußtsein“ .des Tätigen 
nicht losgelöst werden kann, zeigt sich nun auch darin, daß „Tun“ 
stets als „bewußtes Wirken“ von anderem Wirken unterschieden 
und auch als „mit Sinn verbundene Leibesveränderung (Hand- 
'ung)‘ bezeichnet wird. Was kann nun aber zunächst mit dem Worte 
‚bewußt‘ in der Wortverbindung „bewußtes Wirken‘ gemeint sein? 
„Bewußtes‘“ heißt entweder Etwas, das selbst „Bewußtsein“ ist, 
also eine Seele, oder Etwas, das Gegenständliches eines Be- 
wußtseins ist, gleichgültig, ob es selbst Seele (Bewußtsein) oder Kötper 
ist. Deshalb ist zur klaren Unterscheidung im ersteren Falle von einem 
„Bewußten“, im letzteren Falle von einem „Gewußten“ zu sprechen. 
Nun kann selbstverständlich „Wirken“ niemals ein „Bewußtsein‘‘ sein, 
da als „Bewußtes‘ stets nur ein besonderes Einzelwesen, nämlich 
2ine Seele in Betracht kommt, keinesfalls aber jemals das Beziehungs- 
allgemeine „Wirken“. Wohl aber kann ein Wirken ein „gewußtes 
Wirken“ sein, d. h. eine Seele weiß sehr häufig um ‚Wirken‘, um 
„Wirkensbeziehung‘‘. Mit der Rede vom „bewußten Wirken‘ könnte aber 
auch etwa ein „Wirken des Bewußtseins‘ gemeint sein. Wenn 
aun das Gegebene „Tun‘ bestimmt wird, spricht man nicht nur von 
„bewußtem Wirken“ im Gegensatze zu „unbewußtem Wirken“, 
sondern auch von „Willkürlichem Wirken“ im Gegensatze zu 
„unwillkürlichem Wirken“. Da aber das Wort „willkürlich“ 
etwa insbesondere nur an ein „gekürtes‘, „gewähltes‘‘ Wollen denken 
läßt, wollen wir den gewöhnlich mit den Worten „willkürliches Wirken“
	        
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