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YV. Kapitel.
besonderen Verhalten zu veranlassen, allein aus jenem Wollen, wel-
ches die wirkende Bedingung für ein besonderes Körperliches abgegeben
hat, nicht aber aus den Besonderheiten jenes Körperlichen läßt sich
bestimmen, ob ein Anspruch vorliegt oder nicht. Jeder Anspruch-
Wollende aber will dem Anderen zwei Gedanken bedeuten, jeder An-
spruch-Wollende will also behaupten, und zwar entweder eine zwei-
fache Behauptung oder zwei einfache Behauptungen aufstellen, „An-
spruch-Sätze“ sind also Behauptungssätze, und die Unterscheidung der
Behauptungssätze von anderen Sätzen ist haltlos. Es gibt lediglich
Behauptungssätze, d. h. Sätze, mit welchen Gedanken behauptet
werden, denn das Gegebene „Satz“ ist niemals etwas anderes als „Be-
zeichnungskörperliches“, „Bezeichnungskörperliches“ aber ist, wie bereits
dargelegt wurde, jedes — gleichgültig wie immer „geformte“ — Körper-
liche, das als wirkende Bedingung dafür in Betracht kommt, daß
besondere empfängliche Seelen den Glauben an besonderes Behaup-
tungs-Wollen gewinnen. Unmöglich ist es deshalb, das Gegebene
„Satz“ („‚Bezeichnungskörperliches‘) ohne Hinblick auf Behaup-
tungs-Wollen („Urteil- oder Lüge-Wollen‘“) zu bestimmen, denn ein
Körperliches, das nicht „Zeichen‘‘ für ein besonderes Behauptungs-
Wollen ist, stellt eben keinen „Satz‘, kein „Bezeichnungskörperliches‘““
dar. Man hätte aber, statt von „dogmatischen‘‘ Annahmen auszugehen,
lediglich fragen müssen, was ein Anspruch-Wollender eigentlich will,
insbesondere welche Veränderungen der anderen Seele er herbeiführen
will, um diese Seele zu besonderem Verhalten zu veranlassen. Dies
kann, wie bereits dargelegt wurde, nur dadurch geschehen, daß man
der anderen Seele zunächst besondere Lust oder Unlust, nämlich eine
„erfüllendes Verhalten bedingende zuständliche Be-
stimmtheit“ zugehörig macht, solche zuständliche Bestimmtheit kann
aber wieder einer Seele nur zugehörig gemacht werden, indem man
ihr besondere Gedanken zugehörig macht, an dessen Gedachtem jene
Lust oder Unlust besteht. Gedanken kann man aber einer Seele
werbend nur durch Behauptungen — Urteile oder Lügen — zu-
gehörig machen — aus welchen einfachen Erwägungen sich ohne
weiteres ergibt, daß „Anspruch erheben‘ nur besonderes ‚‚Behaupten“
ist und sein kann. Alle jene aber, die da lehren, es gäbe Sätze, die
keine Behauptungssätze sind, gehen von der schier mystischen Annahme
aus, daß es einerseits Sätze gäbe, die als wirkende Bedingungen dafür
in Betracht kommen, daß besondere empfängliche Seelen durch Wahr-
nehmung solchen Satzes besondere Gedanken gewinnen, andererseits
aber Sätze, die als wirkende Bedingungen dafür in Betracht kommen,
daß besondere empfängliche Seelen durch Wahrnehmung solchen Satzes
besonderes Wollen gewinnen, und zwar sozusagen „unvermittelt‘‘,
nämlich ohne daß sie vorher besondere Gedanken gewonnen haben,