Full text: Allgemeine Gesellschaftslehre

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V. Kapitel. 
seelische Veränderungen des B ein auf B bezogener Unwert, wenn 
nur A wahrnimmt, daß sein Anspruch enttäuscht wurde, Indem näm- 
lich A dem B zuruft: „Bleiben Sie stehen, sonst schieße ich!“, will er 
zwar den B zu besonderem Verhalten — „Stehen“ — veranlassen, er 
weiß aber auch, daß ihm mit der Wahrnehmung entgegengesetzten 
Verhaltens des B das Wollen, zu schießen, zugehörig werden wird, 
gleichgültig ob er (A) wissen wird, daß B verstanden hat oder nicht 
verstanden hat. Gibt nun A diese seine ihm zugehörige Wollensmög- 
lichkeit nach Kundgabe seines Wunsches — oder eingeschlossen in 
die Kundgabe seines Wunsches — kund, so behauptet er einen „Ander- 
Soll-Gedanken‘, er behauptet also, daß jene eigene Wollensmöglich- 
keit mit der Wunschkundgabe zu einer den B betreffenden „Soll-Lage‘‘ 
geworden ist. Es ist also ein Irrtum, zu meinen, daß z. B. die so- 
genannten ‚„Rechtsnormen‘‘ deshalb keine Ansprüche an die ‚„Staats- 
antertanen‘‘ sind, weil ‚Strafe‘ und ‚„Exekution‘“ nicht vom Wissen 
der „Staatsuntertanen‘‘ um die Ansprüche des ‚„Staates‘‘ abhängen. 
Denn jene sogenannten ‚„„Rechtsnormen‘“ sind Gegebene, mit welchen 
der „Gesetzgeber‘‘ um besonderes Verhalten der ‚Untertanen‘ wirbt, 
und zwar eben derart, daß er als „„Ander-Soll-Gedanken‘ den Gedanken 
behauptet, daß mit der Kundgabe des „Eigen-Wunsch- bzw. -Furcht- 
Gedankens‘“ als die Untertanen betreffende „Soll-Lage‘‘ besondere 
Wollensmöglichkeiten besonderer Seelen eingetreten sind. Die Tat- 
sache, daß mit Ansprüchen um Verhalten der Anspruchadres- 
saten geworben wird, darf eben nicht verwechselt werden 
mit der Tatsache, daß die Ansprucherheber um dieses Ver- 
halten mit der Behauptung werben, durch die bloße Behaup- 
tung des „Eigen-Wunsch- bzw. -Furcht-Gedankens“ sei eine 
Soll-Lage des Anspruchadressaten eingetreten, und mit der 
weiteren Tatsache, daß schon mit dem Anspruche jene Soll- 
Lage eintritt. 
Fassen wir nun einen anderen Anspruch ins Auge, nämlich etwa 
den Fall, daß A dem B schreibt: „Bringen Sie mir das Buch zurück, 
sonst bin ich böse!‘“, so meint allerdings A, daß nicht schon mit der 
Fertigstellung und Aufgabe seines Briefes eine den B betreffende 
Soll-Lage eintritt, sondern erst mit dem Eintreffen des Briefes bei B. 
Aber diese Meinung des A wird von ihm im Anspruche keineswegs 
behauptet, er schreibt nicht etwa: „Bringen Sie mir das Buch zurück, 
sonst werde ich böse, wenn ich weiß, daß Sie diesen Brief erhalten und 
das Buch nicht zurückgebracht haben“. Solche Behauptung wäre auch 
sinnlos, weil ja A weiß, daß solche Behauptung von B nur gelesen 
werden kann, wenn ihn der Brief erreicht, er also schon die Kund- 
gabe des Wunsches des A gelesen hat, und solche Behauptung hin- 
sichtlich der Bewirkung der Ansprucherfüllung gar keinen Einfluß hat.
	        
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