Vergesellschaftung und Gesellschaft. 289
mit dem Worte „Geltung“ insbesondere jener Empfang selbst als Wir-
kung, mit jedem dieser Worte also ein besonderer Wirkenszusammen-
hang von je besonderer „Seite“ bezeichnet wird.
Immerhin aber liegen in allen Fällen von „gelten“, „Gültigkeit“
und „Geltung“ Wirkenszusammenhänge zwischen „Wirkung“ und
„Empfang werbungsgemäßen Seelischens“ vor, so daß es vergeblich ist,
mit jenen Worten „Metaphysisches“ fassen zu wollen. Es kann daher
nur eine „Werbung“ als wirkende Bedingung für eine Weckung werbungs-
gemäßen Seelischens als „geltend“ („gültig“) bezeichnet werden. Weil
man aber übersieht, daß die Worte „gelten“, „geltend“, „gültig“, „Gültig-
keit“ und „Geltung“ besondere Wirkensbeziehungsworte sind, ver-
steigt man sich zu der Behauptung, daß Etwas „an sich“ gültig sein
könne. So spricht man z. B. von der „unbedingten Gültigkeit“ der
„Wahrheit“. Aber ganz abgesehen davon, daß nur eine Behauptung,
hicht aber der in jener Behauptung behauptete, wenngleich wahre Ge-
danke, also nicht die „Wahrheit“ gültig sein kann, kann auch eine
„Wahre Behauptung“, d. h. eine „Behauptung wahren Gedankens“ nur
gültig sein in Beziehung zu besonderen grundlegenden Bedingungen,
kraft welcher sich in besonderem Wirkenszusammenhange der bedeutungs-
gemäße Glaube des, Behauptungsadressaten einstellt. Stellt also jemand
eine „wahre Behauptung“ auf, so ist sie dennoch nur „gültig“, d, h.
Wirkende Bedingung für bedeutungsgemäßen Glauben des Behauptungs-
adressaten, wenn sich in der Welt jene Allgemeinen finden, welche als
grundlegende Bedingungen dafür in Betracht kommen, daß der Be-
hauptungsadressat durch jene Behauptung einen bedeutungsgemäßen
Glauben gewinnt, und wenn jene Allgemeinen in der Welt nicht vor-
handen sind, so bleibt die Behauptung zwar selbstverständlich eine
„Wahre Behauptung“, d, h. eine „Behauptung wahren Gedankens“, ist
aber dennoch eine „ungültige Behauptung“. So gibt es z. B. gewisse
Behauptungen, hinsichtlich welcher man dem Behauptenden sagt: „Ihre
Behauptung mag wahr sein, aber es ist unmöglich, daß Ihnen das
jemand glaubt“. Spricht man also von der „unbedingten Gültigkeit
der Wahrheit“, so verwechselt man entweder „Wahrheit“ und „Gültig-
keit“, oder man steht zu der Lesebuch-Meinung: „Die Wahrheit siegt
immer“, oder man denkt an eine sogenannte „Soll-Gültigkeit“ („Soll-
Geltung“), d. h. man verwechselt das „Geltungs-Wollen“ des Be-
hauptenden mit der „Geltung“ seiner Behauptung. Von „Soll-Geltung“
wird aber insbesondere hinsichtlich der Ansprüche gesprochen und diese
Rede stiftet arge Gedankenverwirrung, ‚„Gewollte Wirkung“ ist näm-
lich nicht „Wirkung“, d. h. „Veränderung in der Welt‘ sondern ein
Wollen, in dessen Gewolltem solche Wirkung gewußt ist, „gewolltes
Trinken“ ist allemal „Wollen ‚eines Trinkens‘‘, aber nicht „Trinken“.
Mit dem Worte „Soll-Geltung‘““‘ meint man also niemals Etwas anderes
Sander. Allg Gesellechafftelehre