Full text: Allgemeine Gesellschaftslehre

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VI. Kapitel. 
die Schuld absichtlich begründet wurde, er ist also der „Schuld-Be- 
günstigte‘. Hat der „Schuld-Begründer‘ „in eigenem Interesse‘ ge- 
handelt, so ist er selbst der „Gläubiger‘, hat er hingegen „im Interesse 
eines Anderen‘ gehandelt, so ist der Andere der ‚„Gläubiger‘‘, 
Wie bekannt, wird jedoch das Wort „Schuld‘ auch in anderem 
Sinne verwendet, nämlich nicht zur Bezeichnung der Sachlage, daß 
jemand sich in besonderer Weise verhalten „soll“, sondern zur Bezeich- 
nung des Umstandes, daß er durch besonderes ihm ungünstig zurechen- 
bares Verhalten ein besonderes Ereignis veranlaßt, insbesondere wirkend 
veranlaßt hat. Wir haben bereits festgestellt,‘ daß man die Rede ‚Ein 
besonderes Ereignis wird jemandem zugerechnet“ auch in dem Sinne 
gebraucht, daß jemand durch besonderes ihm ungünstig zurechenbares 
Verhalten ein besonderes Ereignis veranlaßt hat, welcher Redegebrauch 
aber auf einer Sinnverschiebung beruht, da die Rede „Jemandem wird 
ein besonderes Ereignis ungünstig zugerechnet‘ eigentlich bedeutet, 
daß der jemanden betreffende Interessengesamtzustand wegen eines be- 
sonderen Ereignisses durch jemandes Anderen Zurechnen verschlechtert 
wird, ohne daß jenes Ereignis überhaupt durch Verhalten des Zurech- 
nungsbezogenen veranlaßt sein müßte. Auf Grund der erwähnten Sinn- 
verschiebung sagt man aber statt: „Das wird ihm (ungünstig) zuge- 
rechnet‘ auch „Daran ist er schuld‘, „Er trägt die Schuld daran“. 
Indes ist daran zu erinnern, daß zwar jeder, der, wie man sagt, „an 
Etwas schuld ist‘‘, dieses Etwas durch besonderes, und zwar einen be- 
sonderen Anspruch enttäuschendes Verhalten veranlaßt hat, das Urteil 
aber: „Er ist daran schuld“ doch nur bedeutet: „Wegen dieses Ver- 
haltens wird ihm ungünstig zugerechnet‘. Daß ein „Schuld-Urteil“ 
kein Urteil über Wirkensverhältnisse, nämlich Verhältnisse zwischen 
besonderem sollwidrigen Verhalten und besonderem Ereignisse ist, er- 
gibt sich ja auch ohne weiteres aus der Erwägung, daß man das Urteil: 
„Er ist an diesem Ereignisse schuld‘ nur fällt, wenn ein „Sollen“ be- 
standen hat, d. h. eine Lage, kraft welcher wegen besonderen Ver- 
haltens jenes, der „schuld“ ist, der ihn betreffende Interessengesamt- 
zustand verschlechtert werden wird, solches Urteil aber niemals gefällt 
wird, um ohne Gedanken an ein „Sollen“ bloß ein Verhältnis zwischen 
besonderem Verhalten besonderen Menschens und besonderem Ereig- 
nisse festzustellen. Allerdings aber wird das Urteil: „Er ist an Etwas 
schuld“ nicht gefällt, um ein Sollen, eine „Soll-Lage‘“ überhaupt zu 
bezeichnen, sondern lediglich zur Bezeichnung des Sachverhaltes, daß 
jemand einen an ihn gerichteten Anspruch, durch welchen er „Soller‘“ 
wurde, bereits enttäuscht hat. Es ist nun bekannt, daß das Wort 
„Schuld“ z, B. in der „Privatrechtslehre‘“ einerseits, in der „„Strafrechts- 
lehre‘“ andererseits einen je verschiedenen Sinn hat. Sagt man z. B.: 
„Die Schuld des A an den B beträgt 2000 K‘, so meint man, ‚daß A
	        
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