Die Besonderheiten der Vergesellschaftungs-Werbungs-Seelenaugenblicke usw. 405
lich mißbilligt“ würde. Als „sittliche Mißbilligung“ bezeichnen wir
aber jede Unlust jemandes an besonderem Verhalten eines Anderen, in
deren Gegenständlichem sich auch der Gedanke findet, daß der Den-
kende selbst in gleicher Lage sich mit sittlicher Gesinnung entgegen-
gesetzt verhalten hätte. Den Fall a) können wir, da wir die „Gebot-
Ethik“ abgelehnt haben, überhaupt ausschalten, im Falle b) sprechen
wir von „Gesuchen“, im Falle c) von „Ansprüchen mit sitt-
licher Gesinnung“, die, wenn sie hinsichtlich der damit beabsich-
tigten Verbesserung des andere Seele betreffenden Interessengesamt-
zustandes „richtig“ sind, auch „sittliche Ansprüche“ sein können,
im Falle d) sprechen wir von „auf Unlust an sittlicher Miß-
billigung gerichteten Ansprüchen“. Mit den letzteren An-
sprüchen wird aber keineswegs auf ein „Verhalten mit sittlicher Ge-
sinnung“ gezielt, da jener, der auf Verhinderung sittlicher Mißbilligung
zielt, eben nicht auf Gewinn von „Lust sittlicher Gesinnung“ zielt, eben-
sowenig wie jener, der auf Verhinderung von „Gewissensreue“ zielt.
Hingegen wird mit einem „Gesuche“ zwar oft auf „Verhalten mit sittlicher
Gesinnung“ gezielt, das „Gesuch“ muß aber keineswegs selbst eine
„Leistung kraft Wollens sittlicher Gesinnung“ sein, insbesondere schon
deshalb nicht, weil der Gesuchsteller darauf zielen kann, durch beson-
deres Verhalten des Adressaten den ihn selbst, den Gesuchsteller, be-
treffenden Interessengesamtzustand zu verbessern. Schließlich wird in
einem „Anspruche mit sittlicher Gesinnung“ nicht darauf gezielt, daß
der Anspruchadressat sich mit sittlicher Gesinnung in besonderer Weise
verhalte — in diesem Falle würde gar kein „Anspruch“ vorliegen —,
sondern es wird bloß darauf gezielt, durch das Verhalten des Anspruch-
adressaten den eine andere Seele — etwa auch die Seele des An-
Spruchadressaten — betreffenden Interessengesamtzustand zu verbessern
bzw. die Verschlechterung des eine andere Seele betreffenden Interessen-
gesamtzustandes zu verhindern. Wohl aber können „Gesuche“ Leistungen
kraft eines Wollenaugenblickes sittlicher Gesinnung sein, in welchen
Fällen jemand mit sittlicher Gesinnung um eines Anderen „Verhalten
mit sittlicher (3esinnung“ wirbt. Wird einem aus sittlicher Gesinnung
gestellten Gesuche stattgegeben, so liegt eine Beziehung zweier Seelen
vor, welche wir eine „beiderseitig in sittlicher Gesinnung be-
gründete Gesellschaft“ nennen, da in solchem Falle die Beziehung
„Gesellschaft“ zwischen zwei Seelen dadurch begründet ist, daß jeder
der beiden Seelen ein „Verhalten-Seelenaugenblick sittlicher Gesinnung“
zugehört, Neben der „beiderseitig in sittlicher Gesinnung begründeten
Gesellschaft“ gibt es aber auch die „einseitig in sittlicher Ge-
sinnung begründete Gesellschaft“. Erhebt jemand gegen einen
Anderen einen aus sittlicher Gesinnung entsprungenen Anspruch, wel-
Chen der Andere als Anspruch erfüllt. so liegt eine „auf Seite des