Andere Besonderheiten der Vergesellschaftungs- Werbungs-Seelenaugenblicke usw. 467
„gewiesen“, oder bloß gelogen hat, sondern sie sind auch, gleichgültig
wie die Meinung des Ansprucherhebers ist, solche Ansprüche, hin-
sichtlich welcher die Erfülungs-Erfahrung, die stets ein Wissen darum
einschließt, daß dem In Anspruch Genommenen besonderer, Gedanke
zugehört hat, häufig unmöglich ist, weil eben der Erkenntnis, ob einem
Anderen besonderer Gedanke zugehört oder nicht, sehr enge Grenzen
gezogen sind. Aus diesem Sachverhalte erklärt es sich auch, daß in
zahlreichen wichtigen Fällen — es sei hier nur an die Anstellung von
„Richtern“ erinnert — besonderen Menschen nur dann besondere
Weisung - Zuständigkeit verliehen wird, wenn sie einen „Eid“ geleistet
haben, in Wahrheit zu „weisen“, also auf Grund besonderer Überzeugung
besondere Urteile zu fällen, wenn sie sich also durch Versprechung gegen-
über Gott, den sie für allwissend halten, verpflichtet haben, nach Über-
zeugung zu urteilen. Die Abnahme solchen Eides ist freilich nur dann
ein wirksames Mittel, das beanspruchte Urteilen hervorzurufen, wenn
die Beteiligten an Gott und an ein durch Gottes Gebote begründetes
Sollen glauben. Insoferne nun aber jener, von dem an Dritte zu rich-
tende Weisungen beansprucht wurden, weder an Gott glaubt, noch
glaubt, daß die Erfahrung möglich sei, ob er in Wahrheit auf Grund
besonderer Überzeugung behauptet, also „geurteilt“ hat, liegt offenbar
die Versuchung sehr nahe, eine eigene Weisung-Zuständigkeit derart
zu „mißbrauchen“, daß unter dem Scheine einer Weisung nicht „Ur-
teile“, sondern „Lügen“ gefällt werden, daß also der für besondere
Weisungen Zuständige lügenhaft behauptet, seine Behauptung, beson-
deres Verhalten sei künftig „Gesolltes“ des Dritten, beruhe auf solcher
eigener Überzeugung, wie sie in dem an den Zuständigen gerichteten
Anspruche gemeint war, während sie in Wahrheit bloß auf dem Ge-
danken beruht, daß solches Verhalten des Dritten ein auf
den Zuständigen bezogener Wert, also für ihn selbst vor-
teilhaft ist. In solchem Falle sprechen wir von „eigennützigen
Schein-Weisungen“, deren Zahl leider unabsehbar groß ist. Zwei-
tens aber sind „Ansprüche auf an Dritten zu richtende Weisung“ oft
Ansprüche, die überhaupt nicht erfüllt werden können, und
zwar deshalb nicht, weil dem als Weisender In Anspruch Genommenen
die im Anspruche gemeinte Überzeugung gar nicht zugehörig wird —
mag er etwa auch „eifrig nachdenken“ —, so daß es ihm unmöglich
ist, das beanspruchte Urteil zu fällen. Ist nun in solchem Falle der
in Anspruch Genommene derart verpflichtet, daß er durch eine Be-
hauptung, es mangle ihm die im Anspruche gemeinte Überzeugung,
seine Pflicht nicht aufheben kann, so bleibt ihm, will er nicht die Soll-
Folge-Verwirklichung über sich ergehen lassen, nichts übrig, als lügen-
haft zu behaupten, daß besonderes Verhalten künftig „Gesolltes“ des
Dritten ist, obwohl ihm eben ein Gedanke daran, was die auszulegende
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