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solchen „staatlich gemeinten Befehlen‘‘ befohlen sind, welche bereits
„gültig“ sind oder von welchen man wenigstens annehmen zu dürfen
glaubt, daß sie „gültig“ sein werden. Aus dem Gesagten ergibt sich
aber, daß eine Richtlinie bzw. Wider-Richtlinie besonderen Verhaltens
noch nicht deshalb als „Rechtsnorm“ bezeichnet werden kann, weil sie
die Richtlinie bzw. Wider-Richtlinie eines mit einem „staatlich ge-
meinten Befehle“ oder auch mit einem „Staatsherrscherbefehle“ be-
fohlenen Verhaltens darstellt, Von den , gültigen staatlich gemeinten
Befehlen“ können für das „Recht“ überhaupt nur die „Staatsherrscher-
befehle mit Rechtsverleihungs-Behauptung“, nicht aber die
zahlreichen anderen Staatsherrscherbefehle in Betracht kommen. Aber
auch die Richtlinie bzw. Wider-Richtlinie jenes Verhaltens, welches
mit einem „gültigen staatlich gemeinten Befehle“ befohlen wurde, ist
keine „Rechtsnorm“, kann vielmehr nur als Richtlinie bzw. Wider-
Richtlinie solchen Befehl erfüllenden Verhaltens bezeichnet werden,
welches jemandem durch den Gedanken zugehörig geworden ist, daß
diese Richtlinie bzw. Wider-Richtlinie eine „Rechtsnorm“ sei, d. h. daß
bei Übertretung jener Richtlinie bzw. bei Einhaltung jener Wider-
Richtlinie ungünstige Zurechnung in einem Rechtsverfahren in Aus-
sicht steht, welcher Gedanke aber auch irrig sein kann. „Rechts-
Richtlinien bzw. Rechts-Wider-Richtlinien“ („Rechtsnormen“)
sind vielmehr jene „Richtlinien bzw. Wider-Richtlinien“, bei deren
„Übertretung bzw. Einhaltung“ durch jemanden ein Anderer in Wahr-
neit die Macht (und das Wollen) hat, jenen „jemand“ durch ein Rechts-
verfahren mit ungünstiger Zurechnung wegen jener „Übertretung bzw.
Einhaltung“ zu treffen.
Hat nun jemand ein „Recht“, so nennen wir ihn einen „Berech-
tigten“ und jeder „Berechtigte“ ist „zu Etwas“ berechtigt, nämlich stets
zur Herbeiführung einer für einen Anderen ungünstigen Zurechnung
in einem Rechtsverfahren. Ein „Berechtigter‘“ wird auch „Rechts-
subjekt‘“ genannt, das Wort „Rechtssubjekt‘“ zeigt aber eine — meist
nicht bemerkte — verhängnisvolle Zweideutigkeit. Mit dem Worte
„Rechtssubjekt‘“ bezeichnet man nämlich nicht bloß einen „Berechtigten“
als besonderen Machthaber, sondern auch jenen, dessen Interessen-
gesamtzustand durch eine in besonderem Rechtsverfahren vollzogene
für einen Anderen ungünstige Zurechnung günstig verschoben
wird, ohne daß er selbst die Macht hatte, durch Rechtsklage jenes
Rechtsverfahren herbeizuführen. So bezeichnet man z.B. einen „Säug-
ling‘ als „Berechtigten‘, obwohl nicht er, sondern sein Vater oder
sein Vormund die Macht hat, durch besonderes Rechtsverfahren gegen
einen Dritten das sogenannte „Vermögen“ jenes „Säuglings‘ zu ver-
mehren. Anders verhält es sich selbstverständlich im Falle jenes „eigen-
berechtigten“ Menschen, der „durch“ einen „Rechtsanwalt“ eine erfolg-
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