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II. Kapitel. |
ungewisses Wünschen“ vorliegt. Ein „zweifach ungewisses
Wünschen“ kommt z. B. zum Ausdrucke in den Worten: „Wenn ich
wüßte, daß ich sonst morgen allein bin und daß A ein angenehmer
Gesellschafter ist, würde ich wünschen, daß A. kommt.“
Nun kann aber eine „Wünschensungewißheit“ selbst die Be-
dingung dafür abgeben, daß in jener Seele, welcher diese Wünschens-
ungewißheit zugehört, ein besonderes gewisses Wünschen entsteht.
Denkt z. B. A: „Wenn ich wüßte, daß ich morgen allein bin. — daß
B mich morgen verläßt —, so würde ich wünschen, daß C kommt“,
so kann diese Wünschensungewißheit eine Bedingung dafür abgeben,
daß in ihm das Wünschen entsteht, es möge sich die Möglichkeit
dafür ergeben, daß C, falls B verreise, komme, daß also, wenn das
gegenwärtig noch ungewisse Wünschen künftig entsteht, dieses
Wünschen seine Erfüllung finden könne. So kann dann in A das
Wünschen entstehen, daß ein D dem C mitteile, er möge sich bereit
halten, zu kommen, oder aber auch das Wünschen, D möge sich bereit
halten, dem C mitzuteilen, daß er kommen solle, wenn D zum Wissen
gelangt, daß B abreist, auch wenn A. selbst noch nicht zu jenem Wissen
gelangt ist, also auch ohne daß im A jenes gegenwärtig
noch ungewisse eigene Wünschen bereits entstanden ist.
Eine Wünschensungewißheit kann also ein gegenwärtiges Wünschen
bedingen, daß die Verwirklichung jener Veränderungsreihe, welche
das Gewünschte des ungewissen Wünschens wäre, ermöglicht wird,
und in solchem Falle sprechen wir von einem „durch Wünschens-
ungewißheit bedingten Wünschen“. Solches Wünschen ist
aber ein „gewisses gegenwärtiges Wünschen“, welches als
Wirkungsgewinn in Bedingungsbeziehung zu einer „Wünschensungewiß-
heit“ steht, keineswegs aber etwa ein „bedingtes Wünschen“ im Sinne
eines „Gedankens an noch ungewisses Wünschen“, welcher gewöhnlich
als ein „bedingtes Wünschen“ bezeichnet wird.
Vom Seelenaugenblicke „Wünschen“ überhaupt aber unterscheidet
sich ein anderer Seelenaugenblick, den wir als „Begehren“ bezeichnen.
Während nämlich jedem Seelenaugenblicke „Wünschen“ eine Unlust
zugehört und der Gedanke an eine ohne Beziehung zu ihren
Bedingungen gedachte Veränderungsreihe, in welcher die
eigene Seele zugleich die gegenwärtige Unlust verlieren und Lust ge-
winnen würde, gehört jedem Seelenaugenblicke „Begehren“ Unlust zu
und der Gedanke an eine gegenwärtig mögliche Veränderungs-
reihe, in welcher die eigene Seele unter Verbesserung des sie be-
treffenden Interessengesamtzustandes zugleich mit dem Verluste der
gegenwärtigen Unlust Lust gewinnen würde. Das „Begehren“ ist also
zwar ein Seelenaugenblick, welcher dem Seelenaugenblicke „Wünschen“
weitgehend gleicht, keineswegs aber etwa ein besonderer