Full text: Die drei Nationalökonomien

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können durch Deduktion aus diesen allgemeinen Gesetzen erhalten 
werden, indem man eine gegebene Reihe von Umständen voraus- 
setzt und dann sieht, was den Gesetzen des Geistes zufolge der Ein- 
Auß dieser Umstände auf die Charakterbildung sein wird.‘16 
Das Verhältnis dieser beiden Wissenschaften zueinander umschreibt 
Mill wie folgt: „Die eine bestimmt die einfachen Gesetze des Geistes 
im allgemeinen, die andere weist deren Wirkungen in verwickelten 
Kombinationen von Umständen nach. Die Ethologie steht zu der 
Psychologie in einem ähnlichen Verhältnis wie die verschiedenen 
Zweige der Physik zur Mechanik. Die Prinzipien der Ethologie sind 
sigentlich die mittleren Prinzipien, die axiomala media (Bacon) der 
Geisteswissenschaften; auf der einen Seite unterscheiden sie sich von 
den aus einfachen Beobachtungen hervorgegangenen empirischen Ge- 
zetzen, auf der andern Seite von den höchsten Generalisationen.“ 17 
Die Ethologie ist also eine Art von Milieutheorie; sie schließt (nach 
Mill) in dem weitesten Sinne des Worts sowohl die Bildung des 
nationalen und kollektiven als auch die des individuellen Charakters 
ein. Sie bildet, wie Mill selber betont, die Brücke zu den Geistes- 
wissenschaften und begründet insbesondere diejenige Gesellschafts- 
und Geschichtslehre, die bemüht ist, das Kulturgeschehen nach natur- 
wissenschaftlicher Methode auf letzte Gesetze des Seelenlebens zurück- 
zuführen: „alle eine praktische Kenntnis der Menschheit konstituie- 
renden Wahrheiten der gewöhnlichen Erfahrung müssen, soweit sie 
Wahrheiten sind, Resultate oder Folgen der allgemeinen, psycho- 
logischen Gesetze sein.“ 18 
Derjenige Philosoph, der vor allem mit Hilfe dieser Gedanken eine 
Geschichtslehre zu begründen unternommen hat, ist Wilhelm 
Wundt. Er hat sich in seiner „Völkerpsychologie“ anheischig gemacht, 
ine „psychologische Entwicklungsgeschichte der Menschheit“ zu 
schreiben. Diese hat „die herrschenden Motive des geschichtlichen 
Lebens und seiner Wandlungen’ aufzufinden und aus den allgemein- 
zültigen Gesetzen des geistigen Lebens zu begreifen‘ 19. Diese „all- 
16 J. St. Mill, a. a. O. 5. 478. 
2 3. St. Mill, a. a. 0. S. 479- 
8 J, St. Mill, a. a. O0, S. 468. 
9 W. Wundt, Elemente der Völkerpsychologie. 1912. S. 515.
	        
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