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Sie. läuft im wesentlichen auf die Droysensche hinaus. und erledigt
sich also mit den oben angeführten Gründen: es gibt in. der .Natur-
betrachtung nicht nur die nomothetische und in der Kulturbetrach-
tung nicht nur die idiographische Methode.
Um diesem klaren Tatbestand gerecht zu werden, hat man dann
den Gegensatz aufgelockert und hat aus dem Gegensatz zweier zwei
verschiedenen Forschungsgebieten zugehörigen Betrachtungsweisen
den Gegensatz zweier „Einstellungen‘, der nomothetischen und der
idiographischen, gemacht, die man gleicherweise den Naturerschei-
nungen wie den Kulturerscheinungen gegenüber sollte anwenden
können, so daß es dann also sowohl von der Natur wie von der Kultur
eine nomothetische und eine idiographische ‚Wissenschaft‘ geben
würde.
Mit dieser Umbiegung des Gegensatzes aus der objektiven in die
subjektive Deutung ist nun aber der eigentlich fruchtbare Gedanke
der Gegenüberstellung von Natur und Kultur als zweier Forschungs-
bereiche, die eine grundsätzlich verschiedene, wissenschaftliche Be-
handlung erheischen, aufgegeben. Für die Kulturwissenschaften muß
aber diese Auffassung, zu der sich jetzt die südwestdeutsche Schule
bekennt, geradezu verhängnisvoll werden. Die Kultur- oder Geist-
wissenschaften haben danach nämlich nur die Wahl zwischen nomo-
thetischer, das heißt naturwissenschaftlicher Betrachtung in dem
Sinne, den ich dem Worte beimesse, und idiographischer Forschung,
das heißt Beschreibung individueller Tatbestände. Wir müssen aber
dieser Auffassung gegenüber mit aller Entschiedenheit betonen, daß
es für uns Geistwissenschaftler eine dritte, und das ist gerade die
fruchtbare, Möglichkeit gibt, nämlich: eine für die Kulturwissenschaft
geeignete, besondere Forschungsweise, die die südwestdeutsche Schule
var nicht kennt, die verstehende, auf die Kulturerscheinungen anzu-
wenden. Wenn wir das tun, können wir dann, je nach der Einstellung,
die wir zu dem Untersuchungsgegenstande haben, innerhalb der
Kulturwissenschaften Theorie und Empirie unterscheiden, Diese
Unterscheidung gilt für Natur- wie Kulturwissenschaften gleicher-
weise. Sie deckt sich aber keineswegs mit der Unterscheidung in
nomothetische und idiographische Betrachtungsweise, wie im weiteren