Full text: Die drei Nationalökonomien

Dazu kommt eine völlig undisziplinierte Gliederung des Stoffes, 
die oft zu den gewagtesten Einteilungen führt; man unterscheidet: 
Theoretische und Praktische Nationalökonomie, was sich ungefähr 
mit der Einteilung der westlichen Nationen in Science und Art deckt; 
daneben aber Allgemeine und Spezielle Nationalökonomie in willkür- 
licher Verknüpfung mit dem erstgenannten Gegensatzpaare. Endlich 
teilt man den Wissensstoff in Reine und Angewandte oder Reine und 
Politische Sozialökonomie, Reine Sozialwirtschaftslehre und An- 
yewandte Sozialwirtschaftslehre ein, was die fremden Sprachen als 
Pure und Applique (applied) ausdrücken. 
Endlich ist es ein besonderes Kennzeichen unserer Wissenschaft, 
daß die verschiedenen Richtungen nach der sozialen Herkunft oder 
den Weltanschauungen oder den politischen Standpunkten ihrer Ver- 
treter bezeichnet werden. So haben wir eine christliche, insonderheit 
katholische, eine liberale und eine sozialistische Nationalökonomie. 
Wir unterscheiden daneben eine bürgerliche und eine proletarische 
Nationalökonomie. Wir sondern die nationalökonomischen Systeme 
Janach, ob sie schutzzöllnerisch oder freihändlerisch sind. Wir 
sprechen von Klassikern, von Epigonen, von Romantikern und ihren 
Lehren. 
Der chaotische Zustand wird num aber erst dadurch herbeigeführt, 
daß alle diese Unterschiede und Gegensätze wirr durcheinandergehen 
md sich vielfach überschneiden. Meist weiß der Autor gar nicht, 
welche Auffassung er eigentlich hat, welchen Standpunkt er eigent- 
lich vertritt. Häufig vertragen sich die verschiedenen Ansichten über- 
haupt nicht miteinander usw. 
Wenn man nun den Versuch macht, die verschiedenen Lehren 
unter - irgendwelchen innerlich begründeten Gesichtspunkten zu 
ordnen, wie es etwa in einer Dogmengeschichte notwendig wird, so 
ergibt sich die Unmöglichkeit dieses Unternehmens, und der wver- 
zweifelte Zustand unserer Wissenschaft wird mit einem Male offen- 
bar. Überblickt man die Gliederung des Stoffes, wie sie unsere besten 
Dogmengeschichten vornehmen, so kommt man aus dem Staunen 
nicht heraus über die Unbefangenheit, mit der sonst klare Denker 
eine völlig unmögliche Anordnung vornehmen, die im Grunde eine 
Unordnung ist, bei der jedes vernünftige principium divisionis fehlt,
	        
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