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Fünfzehntes Kapitel
Die Gesetze
1. Die Begriffe : Gesetz und GesetzmäßigKeit
Wir haben bereits an zwei Stellen von „Gesetzen‘“ und „Gesetz-
mäßigkeit‘“ im Wirtschaftsleben Kenntnis erhalten: bei der Erörte-
rung der richtenden und der ordnenden Nationalökonomie. In beiden
sind wir diesen Begriffen begegnet, und ich habe ihren Inhalt dog-
matisch dargestellt, ohne mich der Mühe zu unterziehen, die Be-
griffe „kritisch“ zu untersuchen.
Wenn wir uns jetzt vor die Frage gestellt sehen: ob es in der ver-
stehenden Nationalökonomie auch Gesetze und Gesetzmäßigkeit gebe,
und welchen Wesens diese etwa seien, müssen wir uns doch einen
Augenblick besinnen auf die Bedeutung, die den vielgebrauchten
Wörtern zukommt.
Das Ergebnis einer Durchmusterung des umfangreichen Schrift-
jums!14 ist dieses: daß eine einheitliche Sinngebung der Begriffe
aicht besteht und im ganzen ein ziemlicher Wirrwarr ‘unter den
Geistern herrscht!t5, Es bleibt uns also nichts übrig, als selbst den
Sinn der Worte zu bestimmen.
Wenn wir auf die ursprüngliche Bedeutung des Wortes „Gesetz“
zurückgehen, so finden wir, daß der Ausdruck aus der Rechts-
sprache stammt: Gesetz heißt soviel wie unverbrüchliche Norm
(Vorschrift), die keine Übertretung zuläßt. Gesetzmäßigkeit würde
dann der dem Gesetze entsprechende Zustand (oder das dem Ge-
setze entsprechende Verhalten) sein.
Gleichzeitig wird das Wort in den Religionen (am schroffsten
m der jüdischen) verwendet, um die von Gott gesetzte Norm oder
114 Siehe die Übersicht in Eislers Wörterbuch der Philosophie. S. v. Gesetz.
45 Die ganze Verfahrenheit des Problems „Gesetz“ ersieht man am besten aus
der zusammenfassenden Darstellung bei Rudolf Eucken, Geistige Strömungen
der Gegenwart; der Grundbegriffe der Gegenwart, 5. Aufl. 1916. S. 148ff. Das
Schrifttum über den Gesetzesbegriff ist unübersehbar. Eine Aufzählung würde
Seiten füllen; ich verzichte deshalb darauf und verweise auf die (unvollständige)
Zusammenstellung bei Eisler, Auf die wichtigsten Erscheinungen habe ich am
zeeigneten Ort aufmerksam gemacht.