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und auf diese Gleichförmigkeiten hat sich daher auch von jeher das
Hauptaugenmerk der Forscher gerichtet.
Je nach dem grundsätzlichen Standpunkt, den der Forscher ein-
nahm, hat man sich auf sehr verschiedene Weise mit diesen Gleich-
törmigkeiten des Geschehens auseinanderzusetzen versucht.
Die Metaphysiker haben sie auf den verborgenen Plan, der der
Welt zugrunde liegt, zurückgeführt: die Menschen gehen — ohne
es zu wissen — an dem „Leitfaden der Natur‘ fort (Kant), sie
werden „ohne und selbst wider ihren Willen durch eine ihnen ver-
borgene Notwendigkeit‘ geleitet (Schelling), die „List der Ver-
aunft‘ (Hegel) führt die Menschen auf ihren Wegen, die „Natur-
gesetzmäßigkeit‘” beherrscht ihr Tun und bewirkt die Gleichförmig-
keit ihres Handelns. Das heißt, vom Standpunkt wissenschaftlicher
Erkenntnis aus gesehen: den Knoten zerhauen, nicht ihn lösen.
Die Naturwissenschaftler haben das Ordnungsprinzip des Natur-
gesetzes auf das Geschehen in der menschlichen Gesellschaft an-
gewandt und haben für die mannigfachen Gleichförmigkeiten
Regeln aufzustellen versucht, sei es, daß sie einzelne Geschehens-
reihen in ihrem regelmäßigen. Verlauf zu erfassen suchten, sei es,
laß sie Nachweise. der Proportionalität bestimmter Erscheinungen
in ‘verschiedenen isolierten Reihen zu erbringen unternahmen, das
heißt „Korrelationsverhältnisse‘“ zu ermitteln trachteten. Also, daß sie
etwa die ziffernmäßige Gleichförmigkeit feststellten in den Bezie-
hungen zwischen Eigentumsvergehen und Brotpreisen, zwischen der
Höhe der Diskontsätze und Bankrotten, zwischen Selbstmordziffern
and Zahl der Geisteskranken in einem Lande, zwischen Alkohol-
‚erbrauch und Kindersterblichkeit. zwischen Alter und Lohnhöhe
SW. 132,
Weder die melaphysische Deutung noch die naturwissenschaft-
liche Ordnung des sozialen Geschehens kann uns befriedigen. Jene
iehnen wir ab als unwissenschaftlich, diese können wir annehmen,
aber sie bedeutet für uns nicht mehr als eine vorläufige Feststellung,
182 Siehe F. Eulenburg, a. a. O. Eulenburgs Urteil ist in allen diesen F ragen
lurchaus kritisch begründet, Das Beispiel einer grotesken Einseitigkeit in der Ver-
;retung des naturwissenschaftlichen Standpunkts bietet Georg v. Mayr. Siehe
jeine Theoretische Statistik (Statistik und Gesellschaftslehre. ı. Bd. 2, Aufl. r914),