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willen gehört mein Herz‘ wendet sich sein Kollege Werner Bruck
mit einer gewissen Entrüstung, indem er ausruft?: „Wir Ökonomen
sind dazu da, Organisationen zu schaffen, um die sozialethischen und
auch die ökonomischen Bedürfnisse der Menschen zweckmäßig zu
befriedigen. Das ist unsere Aufgabe, und nicht nur, daß die Wissen-
schaft, die eine tote Sache ist, zum Selbstzweck wird.“ Standpunkte!
Eine weltanschauliche Bindung tritt zutage
2. in.der Annahme bestimmter Axiome oder Glaubenssätze
als Grundlage der Erkenntnis. Der Forscher wird an eine göltliche
oder eine „natürliche‘‘ Weltordnung oder an gar keine „glauben“.
Er muß sogar glauben, wenn anders er Wissenschaft treiben will,
mindestens an die „Treue der Welt“, wie man deren Konstanz ge-
nannt hat, das heißt: er muß daran glauben, daß eine Katze eine
Katze bleibt und nicht plötzlich ein Vogel ist; ja er muß sogar den
viel kühneren Glauben haben, daß die Sonne morgen wieder aufgehen
wird; und er muß als Wissenschaftler vor allem den festen Glauben
an die Unerschütterlichkeit der Denkkategorien, an die Evidenz alles
a-priori- Wissens, das heißt an die „Vernünftigkeit‘“ des mensch-
lichen Geistes haben.
Die weltanschauliche Gebundenheit des Forschers äußert sich
3. in der Auswahl, sei es der Probleme, sei es der Arbeitsideen,
sei es des Beweisstoffes:
Der Probleme: natürlich hat Ricardo das Grundrentenproblem
in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen gestellt, weil ihn als glück-
lichen Effektenbesitzer das Fallen des .Zinsfußes über alles inter-
essierte;
natürlich untersucht Sismondi mit Vorliebe die Absatz- und
Krisenprobleme, weil ihn als „Kleinbürger“ die Not seiner Schweizer
Handwerker und Hausindustriellen bedrückt;
natürlich hat Marx uns die Einsicht in die Gestaltung der Groß-
betriebe und die Bedingungen der Lohnarbeiter erschlossen, weil
ihm das Wohlergehen’ der Arbeiterklasse am Herzen lag oder weil
er Unterlagen für seine Revolutionsideen sich verschaffen wollte.
7 Auf der Tagung der Generalversanmlung der sozial- und wirtschaftswissen-
schaftlichen Hochschullehrer in Zürich. 1928.