Full text: Die drei Nationalökonomien

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wissen wir selber, Es liegt eine unerträgliche Überheblichkeit darin, 
uns mit der Darlegung der für uns belanglosen subjektiven Meinungen 
über das „was sein sollte‘ zu langweilen. Wenn einmal ein bedeu- 
tender Forscher uns seine Ansichten darüber mitteilt, so werden wir 
sie gern hören. After dinner. In wissenschaftlichen Untersuchungen 
dagegen wollen wir Aufschlüsse über die Zusammenhänge der wirt- 
schaftlichen Welt erhalten, und gerade diese werden uns vorenthalten, 
weil der wertende Nationalökonom gar keine Zeit und Sammlung 
hat, sie zu machen. Er hat es immer zu eilig, uns sein Werturteil 
aufzudrängen. :Wie viele wichtige ‚wissenschaftliche Erkenntnisse 
durch diese krankhafte Sucht, die Dinge zu werten, im Keime er- 
stickt sind, ist gar nicht zu sagen. Es ist ja heute schon besser ge- 
worden? Wenn man sich aber die Literatur ansieht, die vor allem in 
Deutschland beliebt war, als wir jung waren, so ist man geradezu er- 
schreckt über die Kürze. und Unfruchtbarkeit der Erkenntnisreihen, 
die gerade immer da durch ein Werturteil abgebrochen wurden, wo 
sie hätten anfangen sollen. Von den ästhetischen Qualen, die die 
Lektüre der Schriften einer „ethischen‘“ Nationalökonomie verur- 
sacht, will ich gar nicht reden: Werturteile in einem wissenschaft- 
lichen Traktat wirken auf mich wie Steine im Erbsenbrei. ' 
Wenn ich von praktischen Gründen sprach, die uns veran- 
lassen, auf Werturteile in der Wissenschaft zu verzichten, so wollte 
ich damit diejenigen bezeichnen, ‘die es zweckmäßig erscheinen 
lassen, Wertungen zu vermeiden, weil diese geeignet sind, außerhalb 
der Wissenschaft selbst gelegene Schäden zu verursachen. Eine 
„wertende‘“ ‚Wissenschaft — ein Widerspruch im Beiwort! — trägt 
nämlich dazu bei, sowohl das Ansehen der Wissenschaft zu ver- 
Aingern, als die Würde des Werturteils zu vernichten. 
Eine wissenschaftliche Erkenntnis soll richtig sein und ihre 
Richtigkeit soll bewiesen werden können. Da nun ein Werturteil nie 
„richtig“ sein und noch viel weniger als „richtig“ bewiesen werden 
kann, so ergibt sich ‚das Paradoxon, daß die Wissenschaft ihrem 
innersten Wesen zuwider unbeweisbare Sätze als ihr Erzeugnis aus- 
gibt. Das muß aber das Vertrauen in die Wissenschaft notwendig 
verringern. Jemand, der hört, daß ein und dieselbe Wissenschaft den 
Schutzzoll und den Freihandel. die Notwendigkeit und Verwerflich-
	        
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