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keit der Sozialpolitik glaubt „„beweisen‘“ zu können, wird sich mit
Verachtung von dieser Afterweisheit abwenden.
Daß aber die Würde des Werturteils herabgesetzt wird, wenn man
es zu einer „wissenschaftlichen‘‘ Angelegenheit macht, das heißt auf
Erfahrung aufbaut, in Verstandeskategorien einschnürt und es auf
die Ebene der „beweisbaren‘“ Tatsachen herabdrückt, habe ich an
anderer Stelle schon als meine Meinung ausgesprochen: siehe oben
Seite 83£.
3. Naturwissenschaft und Nationalökonomie
Haben wir uns als „verstehende‘“ Nationalökonomen in den vorher-
gehenden Ausführungen mit der richtenden Nationalökonomie aus-
einandergeseizt, so müssen wir nun dasselbe tun angesichts der ord-
nenden Nationalökonomie. Und zwar wollen wir uns dabei wiederum
desselben Schemas wie vorhin bedienen, wir wollen fragen: können,
müssen, ‚sollen ‚wir das naturwissenschafiliche, das heißt bloß
ardnende Verfahren in unserer Wissenschaft anwenden. ;
Daß man es anwenden kann, beweist ja wiederum das Dasein
siner naturwissenschaftlich eingestellten Nationalökonomie, die sogar,
wie wir gesehen haben, die Herrschaft ein Jahrhundert hin-
durch bis in unsere Zeit hinein gehabt hat. Das bloß ordnende Ver-
fahren kann jede Kulturwissenschaft anwenden aus dem einfachen
Grunde, weil es das äußerlichere, oberflächlichere Verfahren ist.
Ordnen kann ich ebensogut Kultur- wie Naturerscheinungen, ver-
stehen hingegen kann ich nur jene. Deshalb ist — umgekehrt —
las verstehende Verfahren auf die Natur überhaupt nicht anwendbar.
Diese Überlegung enthält auch schon die Antwort auf die zweite
Frage: ob wir das bloß ordnende Verfahren bei der Erforschung eines
Kulturgebiets wie der Wirtschaft anwenden müssen. Wir müssen
ums in der Tat dieses Verfahrens bedienen, wo wir nicht verstehen
können, das heißt: wo wir an die unteren Grenzen des Verstehens
stoßen, die ich im dreizehnten Kapitel unter 3. abzustecken versucht
habe. Das sind also folgende Fälle:
i. wo wir reine Naturerscheinungen einfach zu registrieren
haben: Ernteausfälle — Geburtenfrequenz -— Absterbeord-
ungen;