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treibe gleichermaßen empirische Nationalökonomie, wenn ich das
Wirtschaftsleben eines Naturvolkes untersuche (antiquarische For-
schung) oder das des europäischen Mittelalters (historische Forschung)
oder das des Hochkapitalismus, der „Gegenwart“ (geschichtliche.For-
schung im engeren Sinne). Wenn man -— wie es meist geschieht —
nur diese Forschung zur „Nationalökonomie“ rechnet und sie in
Gegensatz zu der „Wirtschaftsgeschichte‘“ stellt, der man dann die
antiquarische und historische Forschung zuweist, so ist das eine ın
der Natur der Sache nicht begründete, rein konventionelle Schulein-
teilung, die ihre Rechtfertigung höchstens in der verschiedenen Tech-
nik der Quellenbehandlung finden könnte.
Von geringerer Bedeutung für die Bewältigung des Geschichts-
stoffes scheint mir die Unterscheidung seiner Behandlung nach der
Verschiedenheit der Einstellung des Forschers zu sein: je
nachdem dieser nämlich die Vergangenheit als Zustand oder als Her-
gang: betrachtet, das heißt also die Geschichtsforschung unter
„statischen“ oder „dynamischen“ Gesichtspunkten betreibt. Daß die
Annahme eines ruhenden, sich 'gleichbleibenden Zustandes eine Fik-
tion ist, ist selbstverständlich. Aber eine solche Fiktion ist zulässig
und kann dazu dienen, die Zusammenhänge der Vergangenheit auf-
zuhellen. Den Unterschied zwischen statischer und dynamischer Ge-
schichtsbetrachtung zu der Unterscheidung von „Kulturgeschichte“
und „reiner“ Geschichte zu verwenden, erscheint mir nicht zweck-
mäßig. Alle Geschichte ist Kulturgeschichte — denn was sollte
Staatenbildung anderes sein als „Kultur“ —, und alle Geschichte
kann ich in zuständlicher oder veränderlicher Gestaltung mir ver-
gegenwärtigen.
Dagegen erscheint mir nun eine dritte Art, den Geschichtsstoff zu
gliedern, ganz besonders wichtig, das heißt fruchtbar zu sein, ich
meine die Unterscheidung der vergangenen Tatsachen nach dem
Auftreten der Ereignisse. Sie betrifft gerade denjenigen Zweig
der Geschichte, der uns hier angeht: die Wirtschaftsgeschichte be-
sonders.
Machen wir uns folgendes klar: alle Geschichte hat die Aufgabe,
ein einmaliges Geschehen zu schildern, das heißt: die einmalige
Verwirklichung eines idealen Tatbestandes. Alle Verwirklichung aber