Full text: Die drei Nationalökonomien

8 
Wie verhält sich denn mein Werk zu den üblichen Geschichts- 
darstellungen? Seine Eigenart besteht darin, daß in ihm die Frage 
nach der Allgemeinheit der wirtschaftlichen Erscheinungen 
bis an die äußerste noch zulässige Grenze ausgedehnt 
worden ist. Diese Grenze ist aber der durch die süd- und west- 
europäischen Völker, die seit der Völkerwanderung die Träger der 
Geschichte Europas sind, gebildete Kulturkreis, zu dem im weiteren 
Verlauf der Entwicklung der nordamerikanische Kulturkreis hinzu- 
iritt, Weiter konnte der Kreis deshalb nicht gezogen werden, weil 
außerhalb dieses Kreises kein Wirkungszusammenhang mehr be- 
steht, also auch keine Geschichte geschrieben werden kann: es gibt 
nur eine Geschichte des „modernen Kapitalismus“, nicht eine Ge- 
schichte des Kapitalismus schlechthin. Innerhalb aber dieses nur ein- 
mal gegebenen Kulturkreises ist dann jede Besonderheit der ver- 
schiedenen Völker außer acht gelassen und ist gefragt worden: welche 
wirtschaftlichen Erscheinungen, die zur Entstehung des modernen 
Kapitalismus führen und die sein Wesen ausmachen, sind allen 
europäischen Völkern gemein? Wie der Mathematiker, der die in 
allen Werten wiederkehrenden Buchstaben herausnimmt und vor 
eine Klammer setzt, so daß er stattab--ac--ad...alb+c-+d.. .) 
schreibt, so bin ich verfahren, indem ich aus allen europäischen Wirt- 
schaftsgeschichten, die jede für sich das Produkt aus europäischem 
und nationalem und lokalem Wesen sind, die europäische Note 
herausgesucht und in ihrer eigentümlichen Gestaltung verfolgt habe. 
Jeder Historiker muß dieses Verfahren bei reiflicher Überlegung 
als berechtigt neben der geschichtlichen Spezialforschung anerkennen. 
Daß aber eine solche Behandlung der Vergangenheit auch Ge- 
schichte (teils „geschichtliche‘‘, teils „historische“ Geschichte) ist, 
behaupte ich mit aller Entschiedenheit. Es ist eben Generalgeschichte 
im weitesten Verstande, die ihre volle Existenzberechtigung neben 
der speziellen und noch spezielleren Geschichte hat. Ich beanspruche 
also für mein Werk, daß es sowohl als theoretisches wie als histo- 
visches gewürdigt werde. 
Eine rein terminologische Frage ist dann die: ob man unter dem 
Namen Nationalökonomie nur die Theorie oder diese und die Ge- 
schichte der Wirtschaft begreifen will. Ich halte es für durchaus
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.