Full text: Die drei Nationalökonomien

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wissenschaft überhaupt keinen „Sinn“, da sie ja doch kein Wesens- 
wissen übermittelt. 
Ganz anders ist in dem Bereiche des Kulturerkennens das Ver- 
hältnis von Wissenschaft, Kunstlehre und Technik, das heißt Praxis 
zueinander. Und zwar aus folgenden, einleuchtenden Gründen: 
t. ist der Problemkreis der Praxis, des praktischen Handelns im 
Bereiche der Kultur ein grundsätzlich anderer als im Bereiche der 
Natur. In diesem hat die Technik es immer nur mit Bekanntem zu 
tun: selbst die kühnste, technische Neuerung — ob drahtlose Tele- 
graphie, ob Bau eines Luftschiffes, ob Gewinnung des Stickstoffes 
aus der Luft — besteht in nichts anderem als der Inbeziehungsetzung 
bekannter Stoffe und Kräfte; gerade in der genauesten und allge- 
meinsten Bekanntschaft mit diesen beruht ja die Fähigkeit der Neu- 
gestaltung. Dagegen handelt es sich nun bei jedem Eingriff in mensch- 
liche Verhältnisse, also auch bei jeder Tätigkeit des Unternehmers 
oder des Wirtschaftspolitikers, um die Vereinigung bekannter Fak- 
toren mit unbekannten zur Herbeiführung der gewünschten Wir- 
kung. Bekannt ist alles, was vergeistet, in Geistgebilden niederge- 
schlagen ist: also in Rechtssatzungen, Organisationen aller Art, Steuer- 
systemen, Buchhaltungssystemen, Statistik, Vorschriften usw. Unbe- 
kannt ist alles, was noch Seele ist. 
2. müssen wir uns klar machen, daß erlernbar nur das Be- 
kannte ist. Dieses hat sich nun im Bereiche der Wirtschaft in den 
Zeiträumen, in denen der Kapitalismus geherrscht hat, zweifellos be- 
trächtlich vermehrt in dem Maße, wie die Vergeistung der wirtschaft- 
lichen Vorgänge namentlich in den Betrieben fortgeschritten ist. In 
demselben Maße haben sich die Kunstlehren ausgebreitet und ver- 
vollkommnet. Namentlich die Privatwirtschaftslehre hat im letzten 
Menschenalter eine Wiedergeburt erlebt und sich recht und schlecht 
zu einer imposanten Disziplin entwickelt, die sich anschickt, auch 
die wirtschaftspolitischen und wirtschaftswissenschaftlichen Katheder 
zu besetzen. An den Hochschulen, aber auch an den Universitäten, 
mehren sich die nationalökonomischen Vorlesungen, in denen etwas 
gelehrt wird, das in irgendeinem künftigen Berufe verwendet werden 
kann: Genossenschaftswesen, Bankwesen, Versicherungswesen oder 
dergleichen. Gegen diese Entwicklung sind keine Bedenken zu erheben.
	        
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