Full text: Die drei Nationalökonomien

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des „positiven“ oder „Arbeitswissens“ zu, das gesucht wird, um 
Herrschaft über Menschen und Dinge auszuüben. 
Unzweifelhaft liegt dieser Auffassung eine Wahrheit zugrunde. 
Aber sie enthält doch nicht die ganze Wahrheit“ Sie ist ent- 
standen zu einer Zeit, als man unter Wissenschaft im wesentlichen 
die Naturwissenschaften, ja sogar nur die Wissenschaften von. der 
toten Natur verstand. Für diese gilt sie. Sie gilt schon nicht für die 
Wissenschaften von der lebendigen Natur. Denn es wäre absurd, an- 
zunehmen, daß man Zoologie nur treibe, um zoologische Gärten ein- 
zurichten, und Botanik, um die Heilkräuter für die Apotheker zu 
bestimmen. Sie gilt bei richtigem Verständnis gar nicht für die Geist- 
wissenschaften. Wir haben gesehen, daß deren Verwendbarkeit für 
praktische Zwecke oder auch nur für die Ausbildung einer Kunst- 
jehre gering ist. Wenn diese Verwertbarkeit wirklich der einzige 
Zweck der Geistwissenschaften wäre, wenn man etwa Philologie 
wirklich nur betriebe, um Sprachen besser zu lernen, oder Kunst- 
wissenschaft, um sich vor Betrügereien im Kunsthandel zu schützen, 
so lohnte deren Studium der Mühe wahrhaftig nicht. Dasselbe gilt 
von der Nationalökonomie, die seit ihrem Bestehen kaum ein Staats- 
mann oder ein Unternehmer oder selbst nur ein Vertreter der Privat- 
wirtschaftslehre um ihren Rat gefragt hat. Ich habe gezeigt, daß sie 
Praktikern und namentlich Kunstlehrern in Zukunft mehr sein könnte, 
als sie bisher gewesen ist. Aber ich möchte doch annehmen, daß die 
Bedeutung und der Sinn einer Wissenschaft wie der National- 
ökonomie noch woanders zu suchen seien als in dieser Verwertbarkeit 
für praktische Zwecke. Sie liegen letzten Endes doch wohl in den 
Eigenwerten, die sie schafft. 
Aber die Wissenschaft und gerade auch die Geistwissenschaft 
soll doch „dem Leben dienen“. Das ist die Anforderung, die heute 
jeder stellen wird, nachdem vor ein paar Menschenaltern Nietzsches 
Mahnruf erklungen ist#, den wir alle im Tiefsten unserer Seele für 
berechtigt halten und der heute mehr denn je am Platze ist. Wir 
38 Siehe namentlich seine zweite „Unzeitgemäße Betrachtung“, die heute 
immer noch „zeitgemäß“ ist, im x. Bande der alten Großoktavausgabe und die 
Nachträge dazu im 10. Bande.
	        
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