Full text: Die drei Nationalökonomien

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der Malerei als einen allmählichen Aufstieg von Grünwald bis Franz 
Marc. Wenn wir den Gedanken des „Fortschritts‘‘ auf Philosophie, 
Kunst, Dichtung anwenden, tritt er uns in seiner Absurdität sofort 
greifbar deutlich entgegen. Aber in einem gewissen Sinne ähnelu die 
Geistwissenschaften jenen andern Zweigen des menschlichen 
Schaffens, weil eben bei ihnen — das war die Beobachtung, die wir 
gemacht hatten — zu dem bloßen Sachwissen noch andere Bestand. 
teile hinzutreten: just philosophische und künstlerische, so daß jedes 
vollkommene Erzeugnis geistwissenschaftlichen Schaffens sich uns 
immer auch als ein philosophisches und Kunstwerk darsteilt. Warum 
Philosophie in jedes geistwissenschaftliche Werk hineinragt, habe 
ich bereits ausgeführt: siehe oben Seite 280ff. Hier möchte ich noch 
mit einigen Worten begründen, weshalb alle geistwissenschaftliche For- 
schung ihrem innersten Wesen nach auf die künstlerische Gestaltung 
hindrängt. Ihre Werke müssen gestaltet sein, das heißt: sie müssen 
nach Art des Kunstwerks eine geistige Einheit darstellen, die in sich 
selber ruht. Wenn ein naturwissenschaftliches Werk dieses Gepräge 
trägt, so ist es eine willkommene Zutat, die aber nicht zum Wesen 
der naturwissenschaftlichen Forschung gehört, weil diese sich in der 
Darbietung von ‚„Gesetzen‘“ erschöpft und den Kosmos der Natur in 
ihren Werken gar nicht widerspiegeln will: Die Geistwissenschaften 
aber, deren Aufgabe recht eigentlich darin besteht, Sinngebilde und 
Wirkenszusammenhänge in der menschlichen Kultur, die selbst 
geistige Einheiten, die selbst ein Kosmos sind, darzustellen, müssen 
notwendig, wenn sie ihre Aufgabe erfüllen wollen, selbst geschlossene 
Einheiten, Abbilder des Kosmos des menschlichen Geistes in ihren 
Werken schaffen. Was selbst gestaltet ist, was selbst Linheit ist, kann 
nur in gestalteten Einheiten seinen angemessenen Ausdruck finden. 
Die naturwissenschaftliche Forschung gipfelt in der Aufstellung 
eines Gesetzes von weitester Geltung, die geistwissenschaftliche For- 
schung in der Schaffung eines Werkes von vollendeter Harmonie. So- 
weit sie keinen „praktischen“ Zweck hat und soweit sie nicht „dem 
Leben dient“, kann ihr Sinn in nichts anderem liegen als in der Er- 
schaffung geistiger Gebilde, die ihren Wert in sich tragen wie das 
Kunstwerk, Jede Zeit sucht ihren vollendeten Ausdruck in diesen 
Begriffsgebäuden, auf deren Errichtung alles wissenschaftliche 
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