Full text: Die drei Nationalökonomien

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seelen lebendig werden, so auch das wissenschaftliche Werk von 
Rang. Wenn das Wort wahr ist, daß alles Wissen in letzter Linie von 
der Gottheit und für die Gottheit ist und daß jedes Wissen soviel wert 
ist, als Ewigkeitserkenntnis in ihm steckt, dann muß man auch den 
Eigenwert des geistwissenschaftlichen Werkes gelten lassen. Und muß 
einen Wert darin erkennen, auch ohne irgendwelchen „praktischen“ 
Nutzen, ja selbst auch ohne an die fördernde Wirkung zu denken, die 
sie auf den Schöpfer oder auf ihre Leser ausüben, wenn Werke wie 
Foustel de Coulanges Cite antique oder Burckhardts Kultur der 
Renaissance oder Carlyles Geschichte der französischen Revolution 
überhaupt in der Welt sind. | 
Es ist einleuchtend, daß durch diese ihre Eigenart die Kultur- 
wissenschaften eine ganz besondere Stellung im geistigen Haushalt 
der Menschheit einzunehmen berufen sind: sie sind ein Luxus im 
wahrsten Sinne des Worts. Sie gestatten keine Auswertung zur Be- 
friedigung eines Massenbedarfs, wie die Naturwissenschaften, wie 
aber auch die Kunst und selbst die Philosophie in einzelnen ihrer 
Zweige, etwa der Ethik. Sie sind nicht gemeinschaftsbildend und 
kultisch verwertbar wie die reine Kunst: sie sind individualistisch 
und protestantiseh. Sie sind, soziologisch gesprochen, der Aus- 
druck des einzigen Aristokratismus, dessen die bürgerliche Kultur 
fähig gewesen ist, und sie werden deshalb vielleicht mit dieser Kultur 
verschwinden: in einem Lande wie Sowjet-Rußland haben sie keinen 
Platz mehr. Als eine Verarmung der Menschheit wird ihren Verlust 
nur derjenige mit mir empfinden, für den der Wert einer Kultur- 
erscheinung nicht durch die Zahl der Personen bestimmt wird, die 
an ihren Segnungen teilnehmen, und der mit mir überzeugt ist, daß 
auch das Leben, das auf der Erde aufleuchtet, in seinem Werte nicht 
gesteigert wird durch die Menge der Fälle, in denen es sich wieder- 
holt. Wer aber dieser Auffassung ist, der wird sich dafür einsetzen, 
daß ein kostbares und einziges Gut wie die jungen Geistwissen- 
schaften, zu denen die Nationalökonomie eben doch gehört, vielleicht 
als ihr bescheidenstes Glied, der Menschheit nicht verlorengeht, 
Und gerade die Nationalökonomie ist in unserer Zeit in ihrem Be- 
stande schwer bedroht. Wie sehr ihr Dasein zwischen den beiden 
robusteren Schwestern: der Heilslehre und der Kunstlehre, zefährdet
	        
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