Full text: Die drei Nationalökonomien

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Man könnte sagen, daß beiden die Idee des Universalismus zu- 
grunde liegt. In beiden Fällen sind die einzelnen Glieder nicht jedes 
für sich auf die letzten Werte und Prinzipien bezogen, wie es dem 
modernen Individualismus entspricht, „der jedem auf eigene Weise 
unmittelbaren Anteil am Sinne des Ganzen geben will“, also ohne 
Vermittlung eines Standes oder eines Amtes. Vielmehr bedarf es der 
„Vermittlung eines Ganzen, in dera die einzelnen Glieder äußerlich 
architektonisch verbunden sind und an dem sie nur in sehr abge- 
stufter, quantitativer Weise teilhaben‘“3. Der Grundgedanke eines 
Totum perfectionale, Gott, das durch „Ausgliederung“ ein Teilganzes 
aus dem anderen entläßt und dadurch die Welt schafft, führt also 
in soziologischer Betrachtung mit Notwendigkeit zu der ständischen 
Gliederung und damit auch zu der ständisch gegliederten Wirtschaft 
als der „richtigen“ Wirtschaft. 
Die verschiedenen Berufe, in denen die dem einzelnen angemessene, 
wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt wird, stehen in einer verschiedenen 
Entfernung zu Gott: sie bauen sich in Gestalt einer Pyramide auf, 
worin die ständische Verfassung zutage tritt. Die Achsendrehung, die 
Luther vornahm, bestand darin, daß er die Berufsidee demokrati- 
sierte, indem er die Notwendigkeit einer ständischen Schichtung leug- 
nete und jeden Beruf gleich nahe zu Gott erklärte. Hatte Thomas die 
Gesellschaft im Bilde einer Pyramide gesehen, so sah sie Luther in 
Gestalt einer Kugel, während dann Kalvin die Berufsidee völlig 
über Bord warf und jede Arbeit des einzelnen als Gott wohlgefällig 
anerkannte, sofern sie nur erfolgreich war. Das Bild, in dem er die 
Gesellschaft sah, 1äßt sich etwa in der Gestalt von Linien vorstellen, 
die von jedem einzelnen unmittelbar auf Gott zulaufen. 
Die „richtige‘“ Wirtschaft, wie sie die Scholastiker sahen, ruht als 
auf ihrer festesten Grundlage, auf dem Privateigentume, das wie 
folgt naturrechtlich begründet wird: „Manifestum est quod homo 
indiget, ad suam vitam aliis animalibus et plantis. Sed natura neque 
dimittit aliqguid imperfectum, neque facıt aliquid frustra. Ergo mani- 
festum est quod natura fecit animalia et plantas propter hominem. 
Sed quando aliquis acquirit id quod natura propter ipsum fecit, est 
3 E. Tröltsch, a. a. O. S. 279. Vgl. auch S. 2976£,
	        
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