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schaft notwendig sei, weil keine andere Betrachtungsweise die Mög-
lichkeit an die Hand gäbe, das Wissen um die Wirtschaft zu einem
Systeme zusammenzufassen.
Der ontologische Beweis beruht auf der Gleichsetzung von Sein
und Sollen, die angeblich beide auf derselben Ebene liegen, beide
nur Formen eines und desselben Seins sind, deshalb auch mit den-
selben Mitteln der Erkenntnis und auf denselben Wegen der Er-
kenntnis erfaßt werden können.
Dieser Beweis ist der der Scholastiker, die dabei — wie mir scheint
nicht ganz mit Recht — Aristoteles als Gewährsmann herbeirufen.
Danach wird in jeder Seinsregion ein wesentliches Sosein und ein zu-
fälliges Dasein unterschieden. Das wesentliche Sein ist das vollendete
Sein, die Perfectio ; dieses wesentliche Sein enthält aber den Wert
des Gegenstandes: „ExxoTtov yAp To BEXTIGTOV Ey TR 0bola uÄhLoTa.“ 6
Dieses vollkommene Sein ist das gesollte Sein, das gesollte Sein ist
das Bonum, weil appetibel, das Verum, weil erkennbar. Bonum und
Verum sind nur zwei Aspekte desselben Sachverhalts, beide sind „Sein“,
sie sind daher auswechselbar: „Ens et bonum se invicem includunt.““
„Ens et bonum convertuntur.‘“ „Verum et bonum subjecto quidem
convertuntur: quia omne verum est bonum et omne bonum verum est.
Verum secundum rationem propriam, qua est perfectio intellectus,
est quoddam particulare bonum, in quantum est appetibile quoddam.
Et similiter bonum, secundum propriam rationem, prout est finis ap-
petitus, est quoddam verum, in quantum est quoddam intelligibile.‘“66
Das Wahre und das Gute sind, weil beide Sein, also beide erkennbar,
Gegenstand der ‚Wissenschaft‘, Auf diese Weise ist auch die rich-
tende Nationalökonomie als Wissenschaft von der Wirtschaft gerecht-
fertigt: „Intellectus enim practicus veritatem cognoscit, sicut spe-
culativus, sed veritatem cognitam ordinat ad opus.“ Gemäß diesen
Worten des H. Thomas, begründet der Wiedererwecker der scholasti-
schen Philosophie im 19. Jahrhundert die Aufgabe der National-
ökonomie als einer richtenden Wissenschaft, und ihm sind alle An-
hänger dieser Richtung bis heute gefolgt. Neuerdings werden die
Gründe, mit denen man uns Antiwertiker bekämpft, mit Vorliebe aus
55 Aristoteles, Topica VI. ı2.
6 5, Thom., Summa theol. IIa IIae qu. 109 a. 2. Vgl. qu. 79a 11.