Full text: Die Meistbegünstigung im modernen Völkerrecht

16 III. Die Voraussetzungen des Meistbegünstigungsanspruchs. 
Art. 26, Abs. 6: „Die Vereinbarung der Meistbegünstigung gestattet 
jedoch keinem der Hohen Vertragschließenden Teile, für seine Gesell. 
schaften eine günstigere Behandlung zu verlangen als die Behandlung, 
die er selbst den Gesellschaften des anderen Teils gewähren würde.“ 
N, Die Voraussetzungen des 
Meistbegünstigungsanspruchs, 
$ 5. Die günstigere Behandlung des dritten Staates. 
Die Feststellung, ob die Behandlung des dritten Staates günstigeı 
ist als die des berechtigten Staates, wird im allgemeinen keine Schwierig- 
keiten machen. — Im internationalen Warenverkehr drückt sich jede 
Vergünstigung eindeutig in einer Minderung der Zollsätze bzw. der Ein-, 
Aus- oder Durchfuhrbeschränkungen aus. Auf dem Gebiete des 
öffentlichen Fremdenrechts wird man ohne weiteres diejenige Behand- 
lung als die günstigere ansehen dürfen, die dem Individuum größere 
Freiheiten einräumt. 
Für das Gebiet des Privatrechts hat die Frage grundsätzlich keine 
Bedeutung, da — von noch zu erörternden Ausnahmen abgesehen — 
die Privatrechtsordnung, nach welcher die Angehörigen des Staates X 
vom verpflichteten Staate behandelt werden, nicht schlechthin gün- 
stiger sein kann, als die Privatrechtsordnung, der die Angehörigen 
eines Staates Y unterworfen sind. SPRINGER! wirft z.B. die Frage 
auf, ob grundsätzlich Formzwang oder Formlosigkeit bei der Bürg- 
schaftsübernahme die günstigere Regelung sei; ferner, welches Alter 
für die Erlangung der Geschäftsfähigkeit das günstigste sei usw. 
Diese Schwierigkeiten ergeben sich m. E. aus der falschen Fragestel- 
lung. Vorteile und Lasten einer zivilrechtlichen Position — z.B. der 
Position eines Bürgschaftsschuldners — sind, vom Standpunkte der 
Privatrechtsordnung aus gesehen, grundsätzlich keine Vorteile und 
Lasten der betroffenen Person. Gewiß ist im konkreten Falle für diese 
je nach ihrer Rolle die eine Regelung günstiger als die andere. F ür den 
Bürgen z. B., der sich formlos verpflichtet hat, ist der Formzwang 
günstiger. Aber schon die Tatsache, daß für seine Gläubiger das Gegen- 
teil gilt, beweist, daß die Fragestellung falsch ist. Was sich im Einzelfall 
für die beteiligte Person subjektiv als Vorteil darstellt, erscheint im 
System jeder Privatrechtsordnung als der gerechte Ausgleich von Vor- 
und Nachteilen; denn dieser Interessenausgleich ist der eigentliche Sinn 
des Privatrechts. — Der berechtigte Staat kann daher m. E. grund- 
sätzlich nicht verlangen, gemäß der Privatrechtsordnung, die auf den 
1 SPRINGER: Die Bedeutung der Meistbegünstigungsklausel für das intern. 
Privatrecht; in NIEMEYERS Zeitschr. £. intern. Recht, Bd. 27, H. 4/5, S. 321.
	        
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