Full text: Die Meistbegünstigung im modernen Völkerrecht

$ 9. Beispiele aus der handelspolitischen Praxis, 39 
unter Ausnutzung der formalistischen Auslegung, die sie erfahren hat, 
mehr und mehr entwertet. Sogar in dem Bericht des Wirtschaftskomitees 
hat man es für nötig gehalten, hervorzuheben, daß diese Umgehungen 
der Meistbegünstigungsklausel (ces discriminations!) ‚‚constituent par- 
fois un moyen tres precieux d’accorder aux produits d’un pays determine 
des reductions de droit ou des facilites douanieres, qui ne seraient pas 
jugees possibles, si elles devraient s’appliquer ä des cat6gories plus 
Etendues de produits‘“!. M. E. kann man mit diesem Argument jede 
Diskrimination rechtfertigen. Jede individuelle Vorzugsbehandlung 
eines Staates, die an sich wirtschaftlich wünschenswert sein mag, stellt 
sich aber den übrigen Konkurrenzstaaten als Diskrimination und Bruch 
des Meistbegünstigungsversprechens dar. Man muß sich daher darüber 
klar sein, daß der von der Weltwirtschaftskonferenz propagierte Grund- 
satz einer möglichst weitgehenden Ausdehnung der Meistbegünstigungs- 
klausel sich unmöglich mit den Vorteilen einer Preferenzbehandlung, 
d.h. mit der Diskrimination der übrigen Staaten vereinbaren läßt. 
8 9. Beispiele aus der handelspolitischen Praxis, 
Im folgenden soll an einigen Beispielen gezeigt werden, wie in der 
handelspolitischen Praxis immer wieder der Versuch gemacht wird, 
das gegebene Meistbegünstigungsversprechen scheinbar ohne Ver- 
letzung der formellen Verpflichtung wirtschaftlich zu entwerten. Es 
handelt sich dabei letzten Endes immer um die Aufstellung formeller 
Grundsätze, nach denen sämtliche Staaten behandelt werden sollen, 
die indes an solche Bedingungen geknüpft sind, welche praktisch nur 
der zu privilegierende Staat erfüllen kann. Es liegt auf der Hand, daß 
die Möglichkeiten hier zahllos sind. Die rechtlichen Gesichtspunkte sind 
jedoch für alle diese Fälle die gleichen. Im folgenden sollen daher nur 
an einigen besonders wichtigen Beispielen die oben aufgestellten all- 
gemeinen Grundsätze erläutert werden, 
I. Praktisch im Mittelpunkt des Problems steht die Frage, inwieweit 
der Meistbegünstigungsanspruch durch eine Spezialisierung des Zoll- 
tarifs beschränkt werden kann?. 
Die Ermäßigung einer Zollposition ist für den begünstigten und 
somit auch für den berechtigten Staat um so wertvoller, je mehr Waren- 
1 A. a. O., S. 10. — Vgl. ferner SCHMÖLDERS: Deutscher Volkswirt, 1927, H. 5: 
„Es ist ferner die Frage aufgetaucht, ob die Zolldifferenzierung wenn nicht dem 
Buchstaben, so doch dem Geiste nach den. auf der Genfer Weltwirtschaftskonferenz 
gefaßten Beschlüssen zuwiderlaufen. In Anbetracht der immerhin zollsenkenden 
Wirkung wird man das verneinen müssen... .‘° 
3 Vgl. HARTMANN: Wandlungen des Begriffs der Meistbegünstigung. Auslands- 
recht 1924. S. 3771f. Vgl. ferner SCHÜLLER: Meistbegünstigung und Vorzugsbehand- 
lung in Schriften des Vereins für Sozialpolitik Bd. 155, S. 137. SCHUMACHER; Meist- 
begünstigung und Zollunterscheidung, ebenda S. 97£.
	        
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