Full text: Deutscher Industrie- und Handelstag

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versicherung über die notwendige Befestigung des alten Be— 
sitzstandes hinaus nurmehr das Ziel einer mechanisch-quantitativen 
Erweiterung des Kreises der Einbezogenen wie des Kreises der 
Leistungen. Geistige Probleme waren weniger beliebt. Dabei hat 
man gar nicht immer nach dem Versicherungsbedürfnis der Neu— 
einbezogenen gefragt, sondern unbekümmert darum die Grenzen des 
Zuträglichen wie auch des Versicherungsgedankens überschritten. 
Die Folgen sind insbesondere bei der Krankenversicherung 
soziale Mißerscheinungen, da der einzelne allzu sehr aus der finan— 
ziellen Mitverantwortung entlassen wurde, durch Abschaffung der 
Karenztage, durch Bestreitung jeglicher Aufwendungen sein Inter— 
esse an der Schonung der Versicherung gemindert, dagegen das 
Interesse an höchstmöglicher Ausnutzung gesteigert und damit der 
sittliche Gedanke geschädigt wurde. Auch in den Kreisen der Ver— 
sicherten sieht man bei einem Anteil der Sozialversicherungsbeiträge 
von rund 16 Prozent am Lohn, 30 Prozent bei den Knappschafts— 
versicherten, allmählich ein, daß es so nicht weitergehen kann. Seit 
langem wird an Reformen gearbeitet. Der endagültige Entschluß 
hierfür fehlt immer noch. 
Es gehört in das Reformprogramm dieses Jahres, auch hier 
durch sorgfältige, objektiv versicherungswissenschaftliche wie wirt— 
schaftliche Durchvrüfung zu Reformen zu kommen. 
Das gilt besonders auch für die 
Arbeitslosenversicherung. 
Eine Fürsorge für die Arbeitslosen, die — soweit immer möglich — 
sich nach der Leistung der Versicherten abstuft, ist nötig. Aber es 
ist nicht zu bestreiten, daß der kühne Wurf des Arbeitslosenversiche— 
rungsgesetzes, unternommen unter Zustimmung der Rechten, der 
Mitte und der Linken des Reichstags, nicht das Rechte traf. Es 
bleibt das schwerste fortwirkende Versäumnis der zurückgetretenen 
Regierung, daß sie nicht im Frühsommer 1929 die arbeitssittlich 
wie wirtschaftlich dringend gebotene durchgreifende Reform erzwang. 
So versteifte sich die Sozialdemokratie schließlich, daß nichts an den 
Leistungen geändert werden dürfe. Dabei sind gewisse Anderungen 
hei den während ihrer üblichen Arbeitszeit hochgelohnten Saison— 
arbeitern wie in manch anderen Fällen je nach Familienzu— 
sammenhang ohne Beeinträchtigung des Grundgedankens der Ver—
	        
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